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RetailWatch - Aktuell

Neue Studie von Oliver Wyman - Amazon macht etablierten Supermärkten Druck

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Seattle/Berlin/München, 27.10.2016 - Die Managementberatung Oliver Wyman GmbH, München attestiert Amazon und dessen Express-Lieferservice „Prime Now“ für die nächste Zukunft einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung im deutschen Lebensmitteleinzelhandel (LEH).

In einem aktuellen „point of view“ zum Thema sieht Oliver Wyman die Verschiebung von bis zu 40.000 Arbeitsplätzen in den LEH-Online-Bereich als wahrscheinlich.

In Berlin und München sammelt Amazon bereits konkrete Erfahrungen mit dem „Amazon Fresh“ Lieferservice für Lebensmittel und Haushaltswaren. Die Nutzung des Service ist an ein kostenpflichtiges Amazon-Prime-Account gebunden.

„Binnen einer Stunde bringt der Service Frischwaren in allen Temperaturbereichen in Berliner und Münchener Haushalte.“

Oliver Wyman zufolge könnten Umsatzverschiebungen von sechs bis acht Milliarden Euro in den nächsten Jahren die Folge sein.

Das bedeutete Verluste für rund 15% der Filialen der deutschen LEH-Vollsortimenter.

Michael Lierow von Oliver Wyman sieht Amazon auch bei der Zustellung von Lebensmitteln ganz weit vorne - die Logistik sei sehr effizient. Aktuell schätzt er die Kosten bei der Anlieferung durch Lastenfahrräder und Kleinfahrzeugen bei ca. vier Euro pro Lieferung; Ziel könnte jedoch ein Betrag von weniger als ein Euro sein - vorausgesetzt, die Frische-Lieferungen in Extra-Kühlbags werden mit dem klassischen Amazon-Sortiment kombiniert.

Für München gehen Modellrechnungen von einem Umsatzvolumen von 40 bis 50 Millionen Euro pro Jahr für „Amazon Fresh“ aus- die Skalierung auf fünf Prozent des Marktes bedeute daher für den Grossraum München einen Umsatz von bis zu 500 Millionen Euro.

„Laut Oliver Wyman bietet Amazon zwar zunächst nur ein Viertel der Artikel eines Vollsortimenters, darunter befinden sich aber bereits die wichtigsten Eckartikel und Marken. Bei den Preisen sei Amazon konkurrenzfähig. Oliver Wyman empfiehlt Einzelhändlern, schnell und radikal das eigene Onlineangebot auszubauen und sämtliche Kanäle zu verknüpfen, um im Konkurrenzkampf zu bestehen. Einzelhändler sollten dabei ihr reiches Wissen über die Kunden und ihr Einkaufsverhalten besser nutzen. Kennt man den Kunden durch viele Offlinekäufe, sollten laut Studie personalisierte Warenkörbe und spezielle Angebote online erfolgen. Mit dem Dash-Button, der Routineeinkäufe vereinfacht, setze Amazon genau an dieser Stelle an“,

so das  Fachportal Logistik Heute.

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Lidl startet im Dezember Online-Supermarkt

Neckarsulm, 25.10.2016 - Wer hätte das erwartet? Lidl wird im Dezember 2016 mit dem Online-Verkauf von Lebensmitteln beginnen. Damit überholt der Discounter, der zur Neckarsulmer Schwarz-Gruppe gehört, den amerikanischen Online-Riesen Amazon und dessen Lebensmittel-Lieferdienst „Fresh“. 

Dpa, Stern und Manager-Magazin berichten übereinstimmend über Lidls Digitalisierungs-Pläne.

Damit einher gehen massive Investitionen in den Ausbau des E-Commerce-Geschäfts von Lidl. Aktuell seien rund 1.000 Mitarbeiter in diesem Segment tätig (in der Tochter Lidl E-Commerce International GmbH). Neben dem Internet-Handel sind auch die Analyse von Kundendaten eine Schwerpunktaufgabe. Dreistellige Millionenbeträge investiere Lidl aktuell. Bislang setze Lidl im Internet v.a. mit Hardware rund 150 Millionen Euro um.

Kunden können demnach bald Lebensmittel (inklusive Tiefkühlprodukten), Obst, Gemüse sowie Getränke im Internet ordern und in einer Filiale ihrer Wahl abholen. Starten soll das Angebot in Berlin. Das Manager Magazin beruft sich dabei auf Unternehmenskreise. Das Schwesterunternehmen Kaufland testet seit wenigen Wochen einen Lieferservice in Berlin (mit geplanter Expansion nach Hamburg im Frühjahr 2017).

Ob die Verbraucher allerdings diese hybride Form des Einkaufens schätzen werden, bleibt abzuwarten. Denn wieviel bequemer wäre es, die online bestellten Lebensmittel direkt an die Haustür geliefert zu bekommen - und die Wasserkästen oder Windelpakete in den 5. Stock? Vielleicht fallen dagegen die Zeitersparnis und das Vermeiden von Schlangen an der Filialkasse gar nicht so sehr ins Gewicht?

Laut Stern werden aktuell lediglich ein Prozent des Gesamtumsatzes von 150 Milliarden Euro im Internet verdient. Ganz vorne dabei: Wein. Das könnte sich Studien zufolge bis 2020 allerdings drastisch ändern: Prognosen beim Online-Umsatz von Lebensmitteln gehen von bis zu 20 Milliarden Euro aus.

Deutschlandweit setzt Rewe die Convenience-Strategie beim Online-Shopping von Lebensmitteln am konsequentesten um - hier wird die Internet-Bestellung direkt an die Haustür der Kunden geliefert. Dafür fallen bis zu Euro 5,90 Liefergebühren an. So dürfte das aktuelle Geschäft mehr Rewes Wettbewerbsvorteil und Marktanteil als dem Erwirtschaften von Gewinnen dienen.

Update: Kaiser’s Tengelmann - Ex-Bundeskanzler Schröder soll vermitteln - und Lidl erwägt Einstieg

UPDATE - Neckarsulm, 25.10.2016 - Im Falle eines Scheiterns der Schlichtungen hat der Neckarsulmer Discounter Lidl Interesse an der Übernahme einzelner Standorte angemeldet.

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Mülheim an der Ruhr/Köln/Berlin, 24.10.2016 - Die Kapriolen um die bevorstehende Zerschlagung von Kaiser’s Tengelmann werden immer dramatischer. Wie verschiedene Medien aktuell berichten, soll der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder ein Schlichtungsverfahren leiten, um doch noch eine einvernehmliche Lösung aller Beteiligter auf Basis von Gabriels Ministererlaubnis zu finden. Darauf haben sich Edeka, Tengelmann und Rewe auf Vorschlag von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und ver.di-Chef Frank Bsirske heute verständigt.

Als Schlichtungsberater soll Bert Rürup fungieren, der langjährige Vorsitzende des Sachverständigenrats. 

Aktuell steht Rewe-Chef Alain Caparros im Fokus, weil er (noch) nicht bereit ist, seine Beschwerde gegen Gabriels Ministererlaubnis zur Fusion der angeschlagenen Supermarktkette mit dem Marktführer Edeka zurückzuziehen. Die Mitbeschwerdeführer Norma und MARKANT hatten diesen Schritt angeboten. 

Für die Dauer der Schlichtung wurde vereinbart, dass keine Tengelmann-Filialen an Dritte übergeben werden dürfen. Zwischen den Parteien wurde Stillschweigen vereinbart.

Update: Kaiser’s Tengelmann - war’s das nun nach 135 Jahren? Über das Ende vom Ende und das Waschen schmutziger Wäsche.

Mülheim an der Ruhr/Köln/Berlin, 17.10.2016 - Knapp 16.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind aktuell deutschlandweit bei Kaiser’s Tengelmann beschäftigt - dazu kommen noch viele Tausend Familienangehörige. Rund die Hälfte, also 8.000 Arbeitsplätze stehen davon nach Branchenschätzungen auf der Kippe, sollte Kaiser’s Tengelmann Inhaber Karl-Erivan Haub seine Pläne zur Zerschlagung des Konzerns umsetzen. Bis zum Samstag schaut es leider ganz danach aus. Auch die intensiven Vermittlungsbemühungen der Gewerkschaft ver.di konnten bislang nichts an der verfahrenen Situation ändern.

Ursprünglich sollte ja eine bereits im Jahr 2014 beschlossene Übernahme von Kaiser’s Tengelmann durch den Marktführer Edeka den weitgehenden Erhalt von Filialen und Arbeitsplätzen sicherstellen - ursprünglich. Doch das Bundeskartellamt legte sein Veto ein, Wirtschaftsminister Gabriel überstimmte es mittels Ministererlaubnis, diese wurde wiederum in einem Eilverfahren vom OLG Düsseldorf kassiert; die Wettbewerber Markant, Norma und Rewe hatten gegen die Ministererlaubnis zur Zulassung der Fusion Beschwerde eingelegt.   

Schuldige gesucht.

Die Medien schiessen sich im Moment auf Rewe-Chef Alain Caparros ein - ihm wird eine Schlüsselposition bei der Lösung des Patts zugeschrieben. Ein dreistelliger Millionenbetrag, so die Autoren Markus Balser, Michael Kläsgen und Kristiana Ludwig von der Süddeutschen Zeitung in ihrem Beitrag vom 15.10.2016, „Warten auf den REWE-Chef“, und schon wären die Arbeitsplätze gerettet. 

Die Mitbeschwerdeführer MARKANT und der Discounter Norma, so ist in den Krisengesprächen zwischen den beteiligten Unternehmen, ver.di-Chef Frank Bsirske und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel klargeworden, wären mit einem ähnlichen Handel in abgespeckter Form einverstanden und zögen dann ihrerseits die Beschwerde beim OLG zurück (UPDATE - Norma hat am 20.10.2016 angekündigt, seine Beschwerde zurückziehen zu wollen; ebenfalls MARKANT am 23.10.2016).

Caparros wird nun von Politik und Gewerkschaft heftig gedrängt, es den kleineren Wettbewerbern gleichzutun und den Multi-Millionen-Scheck fürs Einlenken zu akzeptieren. Damit könnten die Arbeitsplätze bei Kaiser’s Tengelmann für die nächsten fünf Jahre gerettet werden - so sieht es die Ministererlaubnis vor. Am Freitagnachmittag gab er der Nachrichtenagentur Reuters ein Interview, in dem er seine Gesprächsbereitschaft zu einem letzten Einigungsversuch beteuerte.

Denn die Einigung könnte auch für ihn und Rewe eine reizvolle Perspektive bieten, nämlich eine Schwächung des Konkurrenten Edeka für die nächsten Jahre, so die Süddeutsche:

„Die Rewe-Leute haben das mal durchgerechnet. Allein die Einhaltung der Tarifverträge würde Edeka 120 bis 150 Millionen Euro kosten. Mehr noch: Die Bedingungen der Ministererlaubnis beziehen sich auf 451 Läden und 16 000 Mitarbeiter. Bis Ende dieses Jahres wird die Zahl der Filialen aber auf höchstens noch 405 geschrumpft sein - und die der Mitarbeiter auf 14 500. Das bedeutet: Bei strikter Einhaltung der Ministererlaubnis müsste Edeka Mitarbeiter einstellen, ohne sie gebrauchen zu können und zwar nach Tarifvertrag. Zusätzlich hätte Edeka Fleischwerke und Lager am Hals, die der Konzern nicht wirklich benötigt.

Dass ihn solche Gedanken umtreiben, würde der Franzose mit dem deutschen Pass in seiner temperamentvollen Art zwar weit von sich weisen. Was ihn wirklich umtreibt, bleibt rätselhaft. Am Donnerstagabend ließ Caparros einmal mehr, diesmal per Pressemitteilung, die Mär verschicken, wonach Rewe gewillt sei, statt Edeka die Läden von Kaiser's zu übernehmen, und zwar mit allem Drumherum, den Fleischwerken und den Lagern, und auch mit den Tarifverträgen. Caparros posaunt das so bei jeder Gelegenheit heraus. Rewe hat die Botschaft auch schon per Anzeigen-Kampagne verbreitet. Hinter den Kulissen sollen sich die Rewe-Leute aber darüber amüsieren, welche Lasten Edeka sich da aufgebürdet hat.“

Einer Lösung in letzter Sekunde nicht gerade förderlich ist auch das gespannte persönliche Verhältnis zwischen Karl-Erivan Haub und Alain Caparros. Denn die beiden sind geschäftlich schon einmal sehr direkt aneinandergeraten - bei Haub’s Verkauf seiner Plus-Märkte um die Jahrtausendwende. Ausserdem hält Haub eine Beteiligung an Netto, welche wiederum zu Edeka gehört. So könnten im Zuge der geplanten Fusion mit Edeka auf mittlere Sicht auch bisherige Kaiser’s Märkte in Netto-Filialen umgewandelt werden - bei positiver Geschäftsentwicklung ein durchaus nettes Zusatzgeschäft für Haub. 

Karl-Erivan Haub ist aber nicht nur wilder Spekulant, sondern gilt auch als sehr sozial, wie die Kollegen der SZ betonen - ein echter Januskopf: 

„(…) Karl-Erivan konnte hingegen mit den Supermärkten nie etwas anfangen. Start-ups sind vielmehr seine Sache. Am Mittwoch feierte er im Münchner ‚Kohlebunker‘ das fünfjährige Bestehen des Online-Möbelhauses Westwing. Daran ist Haub seit drei Jahren beteiligt. Dafür ist er sehr sozial. Kaiser's zahlt besser als die meisten anderen, und zwar in der Regel nach Tarif. Haub bleibt seinen Kunden treu und subventionierte die verlustbringenden Supermärkte mit Einnahmen bei Obi und Kik, den Ketten, die ihm ebenfalls gehören. Die soziale Ader Haubs ist in den Märkten unverkennbar. In den Berliner Tengelmann-Filialen ist von den 5300 festen Mitarbeitern fast jeder Fünfte älter als 50 Jahre. ‚Es gibt eine hohe Vereinstreue‘, sagt der Betriebsrat.“

Aber zu seiner Janusköpfigkeit gehört dann leider auch, dass Karl-Erivan Haub am Montag, den 17. Oktober beginnen will, Kaiser’s Tengelmann zu zerschlagen. Edeka soll eine Art Vorkaufsrecht beim Verkauf der Filialen bekommen - für jede einzelne Filiale können Gebote abgegeben werden, auch von anderen Interessenten. Vor allem die 105  Filialen in Nordrhein-Westfalen gelten als kaum überlebensfähig.

Bild am Sonntag setzte am 16.10. noch eins drauf: "Chef Karl-Erivan Haub (58) gibt Rewe die Schuld, wirft dem Konkurrenten Wirtschaftsspionage vor. Tatsächlich kennt sich der Mann gut mit Spionage aus. Laut vertraulichen Unterlagen, die BILD am SONNTAG vorliegen, ließ der Milliardär Mitarbeiter und Geschäftspartner (…) beschatten, belästigen und bedrohen.


„Was da abläuft, ist eine Schweinerei“ - Interview mit Rewe-Chef Alain Caparros in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 16. Oktober 2016

„Internes Protokoll widerlegt Aussagen von Rewe-Chef“ - die Süddeutsche Zeitung legt prompt nach - Lesen Sie selbst…


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Quelle: ARD-Morgenmagazin vom 17.10.2016, Marion Schmickler, WDR

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Quelle: ZDF „Volle Kanne“ vom 17.10.2016


Umsatzrekord im Weihnachtsgeschäft ? - EY-Studie „Weihnachtsgeschenke 2016“


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Übersichtsfolie entnommen aus der besprochenen EY-Studie Weihnachtsgeschenke 2016


Düsseldorf, 23.10.2016 - Erfreulich positiv blickt Thomas Harms von der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young) auf die Umsatzerwartungen im bevorstehenden Weihnachtsgeschäft. Seine Studie „Weihnachtsgeschenke 2016 - Deutschland. Verbraucherumfrage zu Kaufabsichten und -gewohnheiten“ basiert auf der telefonischen Befragung von 1.500 volljährigen Verbrauchern in Deutschland im Zeitraum vom 7.10. bis 15.10.2016, durchgeführt von Valid Research, Bielefeld. Gegenstand der Befragung waren ausschliesslich Einkaufsaspekte bei den geplanten Weihnachtsgeschenken, nicht beim gesamten vorweihnachtlichen Konsumverhalten. An verschiedenen Stellen wird auf die Ergebnisse der Vorgängerstudien von 2008 bis 2015 eingegangen.

Die Konsumlaune zu Weihnachten steigt demzufolge um durchschnittlich drei Prozent auf nunmehr durchschnittlich 266 Euro (Vorjahr 259 Euro) pro Befragtem. Die geplanten Geschenkausgaben liegen damit deutschlandweit bei rund 18,1 Milliarden Euro. Dabei werden Geschenkgutscheine und Geldgeschenke immer populärer (zusammen 68% des Geschenketats - plus 50% im Vergleich zu 2015.) Hier scheint das Kaufverhalten junger Konsumenten ausschlaggebend zu sein: ältere Schenkende meiden zunehmend klassische Modegeschenke; in der digitalen Welt kennen sie sich nicht aus.

Verschiebungen ergeben sich bei den kundenseitig anvisierten Handelskanälen: der Fachhandel erlebt ein kleines Revival und wird 39 Prozent des Budgets für Geschenke einnehmen (Vorjahr: 36 Prozent). Stabil werden die 21 Prozent Umsatzanteil des Online-Handels bleiben. Verlierer in der Gunst der Schenkenden sind eindeutig die Kaufhäuser mit 15 Prozent (2015: 26 Prozent) und leicht die Einkaufszentren mit acht Prozent (-1 Prozent zum Vorjahr).

Thomas Harms zu den Hintergründen der Ergebnisse:

„Die Beschäftigung in Deutschland hat Rekordniveau erreicht, und dank hoher Tarifabschlüsse, niedriger Inflation und gesunkener Energiekosten haben die Deutschen mehr Geld im Portemonnaie. In Zeiten extrem niedriger Zinsen lohnt sich zudem das Sparen nicht – entsprechend hoch ist die Konsumbereitschaft der Verbraucher. Den Handel freut’s: Er kann sich auf ein Rekord-Weihnachtsgeschäft einstellen. (…) Der private Konsum bleibt die wichtigste Stütze der Wirtschaftsentwicklung.“

Der stationäre Einzelhandel kann im Weihnachtsgeschäft gegenüber dem Online-Handel punkten. Das hat mehrere Gründe: 

  • viele Konsumenten legen beim Geschenkekauf ihre Schnäppchenmentalität ab
  • sie möchten sich auf das Einkaufserlebnis einlassen
  • Inspirationen für Geschenkideen werden gerne angenommen
  • Haptik ist gerade bei Geschenken wichtig
  • Serviceleistungen wie Umtauschmöglichkeit und Beratung kommen gut an
  • gute Gelegenheit, Omnichannel-Fähigkeit gegenüber Kunden zu demonstrieren („click-and-collect“) oder Lieferung nach Hause
  • sofortige Verfügbarkeit gegenüber längeren Lieferfristen beim Online-Handel
  • Kunden sind empfänglicher für die weihnachtliche Atmosphäre und das Ambiente geschmückter Innenstädte und Läden
  • Ideales Verbinden von Einkaufen und Besuch von Weihnachtsmärkten

So bevorzugen denn auch 71 Prozent der Befragten den weihnachtlichen Einkaufsbummel in der Innenstadt - im Gegensatz dazu kaufen lediglich neun Prozent lieber online. Das gilt in abgeschwächter Form über sämtliche Altersgruppen hinweg.

Die vollständige EY- Studie finden Sie hier als PDF-Download.

Allerdings muss man sich als „Spassbremse“ auch ganz klar die Aussagen anderer Studien wie dem „Deloitte Christmas Survey 2016“ vor Augen halten: Demnach plant jeder zweite Weihnachtseinkäufer zumindest einen Teil seiner Geschenke im Internet zu kaufen.

Amazon überrascht mit ISP-Überlegungen

Seattle, 19.10.2016 - Amazon ist doch immer wieder für eine Überraschung gut: die Kollegen des amerikanischen Insider-Portals „The Information“ werden von t3n.de mit einer Meldung zitiert, nachdem der Online-Händler Amazon für seine europäischen Prime-Kunden „ein Paket mit Breitband-Internet“ plane - als Zusatzdienst. Ermöglicht werden soll das neue Angebot durch die Zusammenarbeit mit regionalen Internetanbietern. Für Deutschland sei die Deutsche Telekom im Gespräch. 

„Das Internetangebot soll Teil eines Pakets für den Steaming-Dienst Prime Video sein. Ein eigenes Netzwerk baut Amazon dafür nicht auf, stattdessen sollen Ressourcen von anderen Internet-Service-Providern weiterverkauft werden“ ,

berichtet t3n.de.

Ausnahmsweise gestaltet sich dieses Geschäftsmodell in den USA einmal nicht problemloser als in Europa: dort gibt es im allgemeinen kein Re-Sale von Internet-Zugängen an konkurrierende Anbieter. Folglich wählte Amazon Europa als Testmarkt für sein neues Prime-Angebot.

Grossbritannien und Deutschland sind als erste nationale Märkte im Visier, so die Kollegen von t3n.de:

„In Deutschland soll der Streaming-Betreiber das Wholesale-Angebot der Deutschen Telekom in Anspruch nehmen. Zuerst will das Unternehmen sein Video- und Internetpaket allerdings in Großbritannien einführen.

Das neue Angebot dürfte für den Konzern vor allem ein Weg sein, mehr User für das kostenpflichtige Prime Video zu gewinnen. Einer Marktforschung zufolge hat Amazon 2015 knapp 2,7 Milliarden US-Dollar in Eigenproduktionen investiert. Details zur Preisgestaltung sind noch nicht durchgesickert. Amazon äußert sich zu den Gerüchten bisher nicht.“

Amazon beschreitet also den Weg vom One-Stop-Shop zum Rundum-Sorglos-Versorger konsequent weiter.

Übersicht: Die beliebtesten Shopping-Zeiten im Online-Handel


Quelle: www.telbes.de, Leipzig


Leipzig, 18.10.2016 - Der Leipziger Büroservice-Anbieter Telbes hat einen spannenden Überblick zu den beliebtesten Online-Shopping-Zeiten zusammengestellt.

Grosses Entwicklungspotential im deutschen Online-Handel - neue Studie von BearingPoint


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Quelle: BearingPoint-Studie „Digital Retail Benchmark 2016“


Frankfurt am Main, 17.10.2016 - Trotz der stürmischen Entwicklung des E-Commerce erfüllen nur wenige Händler die Kundenerwartungen an moderne Online-Shops. Zu diesem Ergebnis kommt Alexander Kreikenberg in der aktuellen Studie „Digital Retail Benchmark 2016“ des Beratungsunternehmens BearingPoint. „Untersucht wurden 85 Online-Shops aus fünf Einzelhändler-Kategorien anhand eines Punktesystems ihres Reifegrads: Lebensmittel, Bekleidung und Schuhe, Drogerie und Parfümerie, Elektronik sowie Baumärkte und Möbelhändler.

Am besten schneidet in der Studie Zalando ab, in  weiteren Handelssegmenten Conrad, Flaconi, Obi und Rewe.

Kreikenberg sieht die Herausforderungen für die untersuchten Online-Shops bereits beim grundlegenden Onlinemarketing: häufig werden die Shops nur schwer über Suchmaschinen gefunden oder das Einkaufserlebnis für die Kunden hat noch deutlich Luft nach oben. Verbraucher möchten sich zudem leicht in einem überschaubaren Produktangebot orientieren können. Eine intelligente Suche in den Shops ist hierfür unerlässlich.

Auch beim „Empfehlungsmanagement“ müssen sich die Shops verbessern: hier ist Amazon sicherlich in der Spitze; viele der untersuchten Online-Shops konzentrierten sich aber zu sehr auf den Verkauf ihrer Waren und vernachlässigten den After-Sales-Service und damit den Erhalt der bestehenden Kundenbeziehung. 

Hingegen waren bei der Bestellabwicklung kaum Unterschiede auszumachen - augenscheinlich eine Folge standardisierter Softwarelösungen in der Branche.

Alexander Broj, Partner bei BearingPoint im Bereich Digitale Transformation, Customer Experience und eCommerce ergänzend zu den Ergebnissen:

„Mit der aktuellen Studie konnten wir für jeden der untersuchten Einzelhändler und dessen Branche sowohl generelle als auch spezifische Handlungsfelder identifizieren, die zukünftig einen entscheidenden Einfluss auf deren digitalen Erfolg oder Misserfolg haben werden. Leichtes Auffinden des Online-Shops, vereinfachte Produktdarstellung, ausführliche Filterfunktionen sowie stärkere Kundenbindung und verbessertes Empfehlungsmanagement sind zentrale Faktoren für ein nachhaltiges Wachstum im Einzelhandel.“

Vielleicht erstaunlich, dass ausgerechnet die Elektronikhändler mit einem Branchendurchschnitt von 72 Prozent am besten abschnitten - der Spezialist Conrad an der Spitze. Der Branche spielen hierbei aber sicherlich die vertriebenen weitgehend standardisierten Produkte in die Karten. Das macht gute Beschreibungen einfach und damit auch die benötigen Selektionskriterien für die shoppenden Kunden. Aber auch hier ist bei einigen der untersuchten Händler das Empfehlungsmanagement der Pferdefuss. Vergleichbaren Nachholbedarf haben Lebensmittelhändler, Baumärkte und Möbelhändler - bei insgesamt höherem Nachholbedarf. 

Lebensmittelhändlern fehlt online v.a. ein ausreichendes Warenangebot. Zudem waren diese in Suchmaschinen nur schwer zu finden - also auch Verbesserungspotential beim Einsatz von SEO und SEA (Search Engine Optimization) bzw. Search Engine Advertizing).

„Auch das Finden von Produkten ist bei vielen der untersuchten Shops nicht kundenfreundlich. Am ehesten punkten konnte hier der Online-Shop von REWE (74 Prozent). Im Bereich Bekleidung und Schuhe lassen sich in der Kategorie Produkt und Sortiment nur in wenigen Shops Produkte komfortabel suchen und vom Kunden entsprechend sortieren. Nur bei führenden Anbietern wie Zalando wird die Suche durch ausführliche Filtermöglichkeiten unterstützt. Unter Drogerien und Parfümerien schnitten Online-Parfümerien wie Flaconi tendenziell besser ab als ihre Multichannel- und Drogerie-Konkurrenz, was auf die Unterschiede im Auffinden des Online-Shops sowie im Empfehlungsmanagement zurückzuführen ist.“ 

Nürnberg - neue PBS-Messe Insights-X versucht es zum zweiten Mal - ein Messebericht

Nürnberg, 13.10.2016 - Etwas skeptisch besuchte ich die immer noch frische Nürnberger PBS-Messe Insights-X an deren Eröffnungstag. Ein tolles neues Messegelände in der kühlen Herbstsonne glitzernd; ebenso sehr moderne und geräumige Messehallen.

Und vor der Messehalle 1 im Foyer?

Eine sehr schöne nagelneue KARLBOX in Zusammenarbeit von Karl Lagerfeld und Faber-Castell - limitierte Auflage 2.500 Stück - Verkaufspreis - ebenfalls 2.500 Euro. Könnte ich mir hübsch unter dem Christbaum vorstellen. Also noch schnell zum Bankberater? 

Dann lieber doch in die Messe. Der erste Blick fiel auf Schulranzen, viele Schulranzen - und noch mehr Schulranzen.

Hier scheint also eine erste Verbindung zwischen dem Ausrichter Spielwarenmesse eG und der Insights-X bemerkbar zu sein: Ergänzen des klassischen Spielwarensortiments durch schulgängige Accessoires wie Ranzen, Taschen, Mäppchen, Schreibgeräte, Malkreiden, Hefte usw.

Und vor dieser Folie liess sich die Messe in der Tat durchgehend von Halle 1- 3 lesen; Ausstellergespräche bestätigten diese Einschätzung.

Viele Aussteller, mit denen ich sprach, hatten nur eine kurze Anreise oder sitzen direkt in Nürnberg oder Fürth - beim Thema Schreibgeräte wie auch Schulranzen bietet sich diese Einschätzung an.

Allerdings erläuterten auch zahlreiche dieser lokalen Aussteller, dass sie für eine ähnlich strukturierte Messe keinen weiten Anfahrtsweg und entsprechende Nebenkosten auf sich genommen hätten.

So dominierten insgesamt neben den Lokalhelden europäische Aussteller, solche aus der Türkei und Fernost.

Wenige Aussteller aus der ersten Reihe wie Lokalmatador Faber-Castell oder auch noch Kaweco und die tschechische KOH-I-NOOR HARDTMUTH a.s bildeten zusammen mit wenigen weiteren hochwertigen Schreibgeräteherstellern die Qualitätsspitze des Messeangebots.

Bleibt die Frage, ob das vollmundige Versprechen der Messeausrichter verfangen kann - eine qualitativ hochwertige PBS-Messe vor Weihnachten in Konkurrenz zur Paperworld zu etablieren?

Das Fachportal pbsreport-online war sich am 10.10.2016 dessen sicher.

Unter der Überschrift „Messe reift zum europäischen PBS-Hotspot“ wurde eine Erfolgsstory der Insights-X erzählt: mit 5.087 Fachbesuchern (nach 4.365 im Vorjahr) aus 89 Ländern konnte bei diesen Kennzahlen ein Wachstum von 16,5% im Vergleich zu 2015 erzielt werden. 268 Aussteller (2015:188) aus 33 Ländern boten ihre Produkte an - und in Halle 3 im Rahmen der InsightsArena waren die Besucher zu vielfältigen Künstler- und Bastelaktivitäten aufgerufen. Insgesamt wurden rd. 21.000 Quadratmeter Hallenfläche bespielt.

Aber auch das Thema branchenübergreifende Synergien zwischen Spiel- und Schreibwaren wurde bei pbsreport-online thematisiert:

„ ‚Die Messe hat eine große Zukunft‘, findet Christian Alsbaek von Epoch Traumwiesen. Der Geschäftsführer zeigte sich über die vielen internationalen Besucher ebenso erfreut, wie über die Synergie-Effekte: ‚es ist großartig, dass neben der ToyPreview auch Parallelveranstaltungen von duo schreib & spiel, Simba Dickie und Vedes stattfinden, so dass auch viele Spielwarenhändler den Weg nach Nürnberg finden.‘ 

Den Ausstellern aus dem PBS-Bereich erschließen sich somit neue Kundenpotenziale. Die Top-Einkäufer aus der Spielwarenbranche können wiederum neue Papier-, Büro- und Schreibartikel sichten.

Meine Zweifel an dem alternativen PBS-Messekonzept sind jedoch eher stärker geworden.


Webseite Insights-X im Überblick

IT & Business in Stuttgart - alles rund um Digitalisierung Ihrer Geschäftsprozesse - ein Messerundgang

Stuttgart, 13.10.2016 - Einmal jährlich im Herbst findet die inzwischen IT & Business getaufte Fachmesse auf dem neuen Messegelände am Stuttgarter Flughafen statt.

Ursprünglich aus mehreren Fachmessen wie auch der Frankfurter INFOBASE integriert, werden heute Softwarelösungen zu den Themen Customer Relationship Management (CRM), Enterprise Information Management / System (EIM bzw. EIS), Dokumentenmanagement, Business Intelligence (BI), Cloud Services und vieles mehr angeboten unter dem Rubrum „digitale Prozesse und Lösungen“.

Überschaubar in einer Messehalle untergebracht (plus Sharepoint-Forum in der angrenzenden Messehalle), fällt es wirklich leicht, sich an den Ständen zu informieren und Demos präsentieren zu lassen.

Die Vortragsforen bzw. Fachforen boten (wie die Messe selbst) auch handelsrelevante Themen und Schwerpunkte: im Fachforum Marketing, Vertrieb & Service wurden u.a. CRM-Systeme live miteinander verglichen, modernes Leadmanagement vorgestellt, über Content Marketing informiert oder CRM Analytics diskutiert. 

Im Fachforum Markt & Strategie ging es um Möglichkeiten, die Digitalisierung als Chance zu begreifen.

Sie verstehen nur Bahnhof und Abfahrt? Naja, diese Messe ist wie geschaffen dafür, sich nicht nur über aktuelle IT-Trends, sondern auch über grundlegende Technologien und deren Einsatzmöglichkeiten im eigenen Unternehmen zu informieren.

Denn soviel ist klar - reine Bauchentscheidungen beim Einkaufen und Verkaufen werden immer weniger tragen, von der Notwendigkeit, offline- und online-Kanäle miteinander zu verbinden, einmal ganz abgesehen. Eine Warenwirtschaft darf es deshalb als minimaler Einstieg schon sein, verknüpft mit einem Webshop und/oder Handelsmodul, einem CRM-Element zur Kundenansprache und -nachverfolgung usw. usw.

Wir Händler stehen vor der Herausforderung, uns viel mehr als noch in der Vergangenheit mit den Rahmenbedingungen unseres Handelns zu beschäftigen - reine Optimierung des Einkaufsverhaltens reicht hier längst nicht mehr.

Zahlen und IT-generierte Statistiken sollen und werden unser Kerngeschäft niemals ersetzen, jedoch uns darüber klarwerden lassen, wer unsere Kunden sind und wie wir sie möglichst lange behalten und Umsatz mit Ihnen machen können.


Webseite IT & Business im Überblick

Hessischer Handelstag in Wiesbaden - Digitalisierung und erfolgreiche Start-Ups im Handel

Wiesbaden, 12.10.2016 - Alles wird digital - auch der hessische Handel. So jedenfalls der Eindruck nach einem spannenden Veranstaltungstag in den Wiesbadener Kurhaus Kolonnaden, fesselnden Präsentationen und aufschlussreichen Gesprächen.

Dabei war die Palette der angebotenen Themen sehr bunt: Gründerplattformen, Digitaler Wandel, Storedesign und digitale Flächeninszenierung, Beispiele erfolgreicher Start-ups und vieles mehr. 

Da konnte der einen oder dem anderen Teilnehmer im Getümmel schon mal der Überblick verlorengehen.

Aber nicht zuletzt dank der fachkundigen Conference des IFH-Geschäftsführers Boris Hedde und einer zusammenführenden Podiumsdiskussion konnten thematisch-lose Enden des Tages wieder zusammengeführt und damit inhaltlich auf den Punkt gebracht werden.

Aber erstmal wieder zurück auf Anfang. Nachdem Jochen Ruths, Präsident des gastgebenden Handelsverbandes Hessen die Themenpalette des Tages umrissen hatte, stieg der hessische Wirtschaftsminister Tarek al-Wazir in seinem Grusswort direkt in die verschiedenen Facetten von Digitalisierung ein. 

Er erinnerte daran, dass wir bei Aspekten der Kommunikation, des Musikhörens oder auch des Einkaufens schon längst an der „digitalen Nadel“ hingen. 

So dürfe auch der stationäre Handel Trends der Digitalisierung nicht verschlafen, ermutigte die Händler jedoch auch, stärker auf die Möglichkeiten der emotionalen Bindung ihrer Kunden im Laden zu setzen, gerade weil die Transaktion beim Online-Shoppen von vielen Konsumenten als „kühl“ empfunden werde. 

„Fühlen, Schmecken, Riechen, Beraten“ - so die Grundvorzüge des stationären Handels.

Dennoch: Digitalisierung verändere den Einzelhandel, wenn potentiell jeder Kunde das „grösste Kaufhaus der Welt in der Tasche“ mit sich herumtrage.

Und was für die Kunden der Online-Händler schön sei, könne für die gleichen Menschen auch schwer zu akzeptieren sein, so beispielsweise beim neuen DHL-Auslieferungslager in Obertshausen im Landkreis Offenbach, dem grössten in Deutschland.

Für die Lebendigkeit der Innenstädte sei eine pluralistische Handelsszene essentiell und deshalb trotz aller Dynamik des Online-Handels unverzichtbar.

Im Verschmelzen der unterschiedlichen Vertriebskanäle könne der Kunde in mannigfaltigen Situationen erreicht werden - umgekehrt ginge Online nun auch Offline (Zalando).

Händlern komme die Aufgabe zu, Geschichten zu erzählen, Image zu transportieren und den Kunden auch mit einer schönen Verpackung ihrer Geschenke zu imponieren.

Neben fairen und verlässlichen Rahmenbedingungen, die al-Wazir für den Handel zu schaffen praktisch von sich selbst einforderte, schlug er aber auch die Brücke hin zur Notwendigkeit, bereits in Schule und Ausbildung verstärkt digitales Wissen zu vermitteln - im Leitfaden „Strategie Digitales Hessen“, einer handlichen 122-seitigen Broschüre der hessischen Landesregierung zur Digitalisierung.  

Hier sind u.a. Möglichkeiten enthalten, kleine und mittelständische Unternehmen (KMUs) in Fragen des E-Commerce zu unterstützen und zu fördern, einem Digitalisierungscheck zu unterziehen.

Digitalisierung sei nach Auffassung des Ministers immer noch von und für Menschen gemacht und somit auch gestaltbar: „Vergessen Sie die Menschen nicht“, so sein Credo.

Statt Gefährdungspotentialen und Horrorszenarien hinterher zu hecheln, müssten die Händler aktiv werden, Chancen der Digitalisierung nutzen und das vermeintlich Schlimmste abwenden. Ein starker Handel in Hessen sei notwendig, stationär wie online.

Damit gelang es al-Wazir, zwar eine Richtung für den Tag vorzuschlagen, aber richtig Aufrütteln geht anders.

Boris Hedde leitete anschliessend zu den Eröffnungs-Keynotes über - Torsten Retkowietz und Dirk Vonten (Cisco WeShop) stellten ihr 2014 initiiertes Handelskonzept WeShop vor, eine Lösung zur Integration von Online-Shopping mit stationären Handelsflächen. Die „Customer Journey im Digitalen Zeitalter“ vermag es, durchgängig und kanalübergreifend „die Grenzen zwischen physischem und virtuellem POS verschwinden“ zu lassen. 

Spannend ist dieses Omni Channel-Projekt v.a. auch im Hinblick auf die Wahlfreiheit des Kunden: er kann während seiner Shopping Tour im Laden immer wieder zwischen dem Rückgriff auf persönliche Begleitung und Beratung oder elektronischen „Einkaufshelfern“ wie Digital Signages, Videos, Präsentationen, QR-Codes wählen und beliebig wechseln. Psychologisch eine äusserst geschickte Lösung, da sie in hohem Masse die individuellen Dispositionen der Kunden bis hin zu deren „kommunikativer Tagesform“ berücksichtigt, integriert und somit ein für den Kunden nachhaltiges Einkaufserlebnis über alle Einkaufskanäle hinweg ermöglicht. 

Relevante Informationen stehen in einheitlicher Form an allen Kontaktpunkten (Touch Points) der „Customer Journey“ zur Verfügung - ebenfalls damit verbunden die Serviceangebote; personifizierte Ansprache des Kunden auf dessen individuelle Wünsche als höchste Form des Service-Levels.

In der Wahrnehmung des Kunden eröffnet sich diesem ein echtes Omni Channel-Einkaufserlebnis, die Stärken stationären und Online-Handels werden miteinander verbunden, seine Erwartungen positiv übertroffen.

Cisco und WeShop haben zusammen den ePOS-Software-Standard als sog. Middle-Layer-Schicht entwickelt, der Schnittstellen für digitale Handelsprodukte weiterer Hersteller zur Verfügung stellt bzw. es ermöglicht, Produkt- und Kundendaten aus unterschiedlichsten Bestandssystemen zu normieren und zusammenzuführen.

In Eschborn am Taunus lässt sich WeShop in einer Demoversion auch live erleben.

Unter dem Buzzword „Smart Retail“ wird der amerikanische Ausrüster Cisco in den kommenden Jahren allein in Deutschland mehr als 500 Millionen Euro investieren.

In der anschliessenden Fragerunde ging es sowohl um die Akzeptanz von WeShop im Handel als auch um die Reaktionen von KMUs auf Fragen der Digitalisierung generell. Nolens volens müssten sich die Händler aber in welcher Form auch immer auf die Digitalisierung einstellen.

Henner Knabenreich, personalmarketing2null, setzte sich in seinem Referat mit dem Digital Employer Branding auseinander. Seine These: Personalkräftemangel war gestern - auch qualifizierte Bewerber liessen sich für den Handel als Arbeitgeber begeistern.

Mit teils plakativen Thesen wie „wer Fachkräftemangel hat, ist selbst schuld“, versuchte Knabenreich, die anwesenden Unternehmer aus ihrer Komfortzone zu locken und auch dosiert zu provozieren.

Aber er wusste auch zu punkten, indem er eine Fülle von Unternehmen und deren hier und da sehr unkonventionelle Methoden der Mitarbeitersuche präsentierte: Coffee Fellows, IKEA, Rewe und viele andere.

Von Flyern, Ladendurchsagen, Aufstellern an der Kasse, Hinweise in Umkleidekabinen oder auf den Toiletten („Pee & Watch“) bis hin zur Einladung potentieller Bewerber in Networking-Locations reichte die Palette. Selbstverständlich ist die Werbung um Personal auch in oder an den eigenen Geschäftsräumen sinnvoll - Aussenfassaden, Schaufenster, Eingangsbereich usw. Firmenfahrzeuge, Werbung an Fahrzeugen des ÖPNV oder Anzeigen in Kundenmagazinen und Katalogen runden die Möglichkeiten ab.

Henner Knabenreich kritisierte viele Unternehmen aber auch dafür, dass diese ihre Jobanzeigen auf ihren Webseiten sehr unzugänglich gestalteten - statt offensiv auf der Home- bzw. Landingpage. Die Frage sei: „Findet man Sie als Arbeitgeber auf Google?“

Die Zusammenarbeit mit wichtigen Jobbörsen sei eine andere, sehr wichtige Option.

Boris Hedde schlüpfte zwischendurch mit dem Thema „Digitalisierung am PoS - was der Kunde vom Handel erwartet“ in die Rolle des Referenten.

Er beschäftigte sich eingangs sowohl mit dem Einkaufsverhalten der „Smart Natives“ als auch mit dem Phänomen des „selektiven Kundenverhaltens“, also der Auswahl der unterschiedlichen Einkaufskanäle. Unterfüttert von statistischen Daten waren seine Erläuterungen allerdings auch ein Weckruf für die anwesenden Händler. Umsatzwachstum, so nämlich Hedde, finde aktuell nur noch im Online-Bereich statt. Was diese Aussage bedeutet, können stationäre Händler beim täglichen Kassensturz nachvollziehen.

Massstab für jegliche Online-Aktivitäten sei inzwischen Amazon, das den Kunden „Scheuklappen aufsetze“ und zusammen mit anderen Anbietern als „neuer Showroom“ fungiere.

Für Präsenzhändler stelle sich auch immer mehr die Frage, wie sie überhaupt die Kundenansprache hinbekommen sollen. Technische Lösungen wie „Digital Signages“ oder Firmen-Apps („Breuninger-App“) könnten hier eine positive Rolle übernehmen. Denn am POS suchten die Kunden Informationen. Und diese könnten sowohl in elektronischer Form als auch wahlweise vom Verkaufspersonal zur Verfügung gestellt werden.

Allerdings gingen auch reine Online-Händler den Weg der „Offline-Beratung“, indem sie bspw. Kundenbewertungen in ihren neuen Präsenzgeschäften zeigten (Amazon) oder auch Seminare anböten (Shoepassion mit Schuhpflege).

Wer es bislang noch nicht mitbekommen hatte, dem erläuterte Hedde, dass der Online-Handel die Handelswelt radikal verändere - von reiner Warendistribution hin zu Service und Einkaufserlebnis. Kunden würden denn auch mobiler, flexibler und verwöhnter und suchten die Cross- bzw. Omni Channel-Einkaufslösungen, die ihnen Mehrwert gerade in Bezug auf Service brächten - in sämtlichen Kaufphasen. „Service ist der Hebel in Sachen Kundenbindung.“

Dr. Thomas Funke, Leiter des Fachbereiches Gründung & Innovation im RKW Kompetenzzentrum in Eschborn, stellte vor dem Hintergrund von „Gründerökosystemen“ zwei spannende Start-Ups vor - den Kosmetikhersteller Dr. Severin, vertreten von Gründer Peter Hart sowie Grillido, Hersteller der „Wurst 2.0“, fettarm, proteinreich und sehr wohlschmeckend - aus dem Schwäbischen - Co-Gründer Manuel Stöffler.

Beide diskutierten mit Funke und dem Publikum über ihre Gründungsideen, deren Finanzierung (mit Venture Capital oder Familie - aber ohne Banken) und die Vermarktungs- und Produktionskonzepte.

Sehr aufschlussreich und in Teilen sicherlich auch für bereits etablierte Händler nutzbar.

Weitere Beispiele für erfolgreiche Start-Ups in unterschiedlichen Segmenten folgten: Roman Rochel stellte Houzz.com vor, eine Wohnplattform, die aktuell 15.000 aktive Experten und acht Millionen Einrichtungsfotos integriert und es den Kunden ermöglicht, online ihre Traumeinrichtungen zusammenzustellen. Ein Shopsystem ist dabei ebenfalls integriert.

Alessandro Quaranta, okinlab, stellte seine Plattform form.bar vor, mit der sich online individuell und frei gestaltbare Möbel entwickeln lassen - in unterschiedlichen (Holz-) Materialien und in „direkte(r) Vernetzung der Kundenwünsche mit der Fertigung“. Kooperationen mit stationären Möbelhändlern sind erwünscht und möglich.

José Manuel Rodriguez stellte sein einfach gestaltetes und mobiles Kassensystem Paymash vor, das als echte Instore-Cross-Channel-Lösung dienen kann. IPad-basiert verzahnt es stationären-, Online- und mobilen Handel miteinander. Eine Warenwirtschaft ist dabei ebenso integriert wie die Möglichkeit, Social Media-Kanäle zu „bespielen“ oder über Marketplace anzubieten. Ein ebenfalls integriertes Loyalty-Programm rundet die Möglichkeiten von Paymash ab.

Fabian Füger von der Steinacher Bäckerei Füger erläuterte im Gespräch mit Rodriguez die Möglichkeiten von Paymash beim Praxiseinsatz.

Vor der Abschluss-Keynote ging es auf der den Tag resümierenden Paneldiskussion nochmal rund: Fragen um Sinnhaftigkeit des Einsatzes digitaler Gadgets wurden ebenso diskutiert wie Probleme mit der (Start-Up-)Finanzierung in Deutschland, den politischen Rahmenbedingungen für Handel oder auch der Möglichkeit, gute Mitarbeiter zu bekommen. Schliesslich fassten die Podiumsteilnehmer auch nochmals ihre Standpunkte „pro domo“ für das Publikum zusammen.

Einen der Vortragsknüller des Tages landete Christoph Kehren von der Agentur Scholz & Volkmer, als er die jüngste Coca Cola-Kampagne im Internet und am POS vorstellte. Elemente wie individualisierte Flaschen/Dosen standen hier im Mittelpunkt und die enge Verbindung zwischen Online und Offline-Auftritt und -angebot. Content Marketing und Smart Products können somit auch junge Zielgruppen bewegen und zum Einkaufen in den Handel bringen.


Kongress-Seite des Hessischen Handelsverbandes

IFH-Handelskongress 2016 - Faszination Handel in funkelnden Facetten. Ein Tagungsbericht

Köln, 27.9.2016 - „Innovation, Inspiration, Interaktion“ - unter dieser Überschrift führte Moderator Dr. Kai Hudetz, Co-Geschäftsführer des IFH Köln (Institut für Handelsforschung) in den Kongressnachmittag an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Köln ein. 

Für die anwesenden Teilnehmer aus Handel, Industrie und Forschung klang das jedoch eher nach „Digitaler Transformation“ (DT) oder „Handel 4.0“ - und das war auch sicherlich so beabsichtigt. Die Referenten kreisten in Ihren Redebeiträgen immer wieder um die Transformation traditioneller Geschäftsmodelle, die Verbindung von Offline- und Online-Handel und v.a. um die Notwendigkeit, bei allen technischen Innovationen immer vom Kunden und dessen Wünschen und Bedürfnissen her zu denken. 

Prof. Dr. Werner Reinartz, als Direktor des Seminars für Handel und Kundenmanagement an der Uni Köln auch gleichzeitig der Gastgeber des Kongresses, machte die Bedeutung digitaler Geschäftsmodelle an einigen wenigen, aber sehr anschaulichen Beispielen fest: Die fünf wertvollsten Unternehmen der Welt produzieren also z.B. nicht im klassischen Sinn und heissen aktuell: 


1. Apple

2. Alphabet (Google)

3. Microsoft

4. Amazon

5. Facebook


Auswirkungen auf klassische Wertschöpfungsmodelle lassen sich jedoch auch an der durchschnittlichen Listungsdauer im Standard & Poors 500-Index ablesen. Waren es 1960 noch 62 Jahre, liegt der Wert aktuell bei gerade einmal 19 Jahren. Der Unternehmens-Lebenszyklus verkürzt sich also fortlaufend.

Professor Reinartz stellte in seinem Referat die Ergebnisse einer Studie vor, die er zusammen mit Dr. Eva Stüber vom IFH Köln durchführte: „ Zwischen Innovation und Interaktion. Wie die digitale Transformation die Anforderungen an das Personal verändert.“

140 Führungskräfte aus in Deutschland tätigen Handelsunternehmen wurden hierzu befragt - die Antworten sind hoch spannend, wird durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) doch gerade auch hochqualifizierte Arbeit in einem Masse „angegriffen“, wie es bis vor wenigen Jahren noch nicht vorstellbar war. IBMs Supercomputer Watson schlägt die Diagnosefähigkeit von Ärzten bei seltenen Krankheiten, KI ist im Begriff, autonomes Fahren (auch von LKW) zu ermöglichen und auch im Handel sind erste Auswirkungen der Digitalen Transformation angekommen. Der Kofferraum aktueller Smart-Modelle lässt sich als Paketstation nutzen, Adidas ermöglicht in seinen Geschäften die Herstellung komplett individualisierter Sportschuhe innerhalb einer halben Stunde und der intelligente und internetfähige Kühlschrank von Samsung bestellt auf Wunsch selbständig Lebensmittel nach („Samsung Food Management“).

Klassische Berufsbilder - auch im Handel - werden sich also dauerhaft ändern, neue Qualifikationen werden erforderlich - das wird gleichzeitig sowohl zu Arbeitsplatzverlusten als auch zur Einstellung neuer, sehr spezialisierter Arbeitskräfte führen. Selbstverständlich wird hierbei die Kooperation von Beschäftigten mit mobilen Robotern, lernenden Maschinen und Künstlicher Intelligenz. Neue Qualifikationen bzw. Berufsbilder wie Data-Analyst, Social Media Manager/-Analyst, Online-Marketing-Spezialist oder Digital Media Designer werden zur Selbstverständlichkeit.

Für die USA prognostizieren die beiden Forscher Frey/Osborne einen Verlust von knapp 50% der Arbeitsplätze bis zum Jahr 2035. Eine Studie der ING-DiBa AG kommt für Deutschland zu vergleichbaren Ergebnissen. Daraus resultieren sowohl volkswirtschaftliche wie betriebswirtschaftliche Probleme. Und für den Handel bedeutet das: starker Innovations-Druck und schärferer Wettbewerb mit agilen Start-Up-Unternehmen.

Professor Dr. Reinartz und Dr. Eva Stüber differenzierten ihre Aussagen noch weiter nach Unternehmen mit niedrigem und hohem digitalen Reifegrad. Die Ergebnisse variieren hier, aber die grundsätzlichen Herausforderungen sind die gleichen. Kernkompetenzen wie „digitale Bereitschaft, gute Interaktions- und Kommunikationsfähigkeit, Kundendenken und Bereitschaft zum Wandel, ein über-den-Tellerand-Hinausblicken, hohe Lernbereitschaft, Hinterfragen des Gegebenen u.ä. stehen im Fokus künftiger Beschäftigung. Kurz: der Entrepreneur im Beschäftigten ist mehr denn je gefragt. 

Aber auch Führungskräfte müssen sich dem Wandel anpassen. Für sie kommen noch Aspekte wie „Risikobereitschaft“, „skeptisches Hinterfragen“, „Moderationsfähigkeit“ und die „Fähigkeit zum Durchsetzen radikaler Veränderungen“ hinzu. In der anschliessenden Fragerunde wurde noch einmal genauer auf das Thema „Disruption“ und Definition des digitalen Reifegrads eingegangen, auch der Zusammenhang zwischen Digitaler Transformation und Change Management war von Interesse. Sei nun die Dauer der Beschäftigung mit DT wichtiger oder die Radikalität der DT-Umsetzung, die ja auch mit der Bedrohung des Unternehmens von aussen zusammenhängt. Auf die Ausbildungsgänge wirke sich DT aber auf jeden Fall aus - im Handel entstehe gerade der neue Beruf des E-Commerce-Kaufmanns, wie Stefan Genth, der Hauptgeschäftsführer des HDE, aus dem Plenum heraus anmerkte.

Stefan Wendler, Vice President, Geschäftsführer von eBay Deutschland und frischgebackenes IFH-Präsidiumsmitglied stellte Status und künftige Entwicklungen des E-Commerce in den Mittelpunkt seiner Präsentation „Innovating Commerce - Handel in Zukunft aus Sicht von eBay“. 

Seine Handelsplattform, den eBay-Marktplatz, begriff er wahlweise als Generator von Marketing und Traffic, Services für Verkäufer und Käufer, Technologieplattform oder Ökosystem. 

Im Gegensatz zu klassischen Wettbewerbern wie Amazon pflege eBay jedoch keine eigene Sortimentierung, sei also kein Händler. Die Strategie eBays und seiner drei bis viertausend Entwickler sei vielmehr, ein grösstmögliches Sortiment im Markt anzubieten, wirklich relevante Einkaufserlebnisse zu ermöglichen - das alles auf einer leistungsstarken Verkaufsplattform unter dem Slogan „Your version of perfect“. 

Und diese Verkaufsplattform hat es nach Wendler in sich: Artikel über die Gesamtbreite von deren Lebenszyklus’ (neu - gebraucht - Vintage - Einzigartiges). Die kleine eBay-Präsentationsrunde beschloss er mit beeindruckenden Zahlen zum Unternehmen: 12.000 Mitarbeiter in 28 Ländern, 82 Mrd. US-$ Handelsvolumen im Jahr 2015, 65 Prozent versandkostenfreie Sendungen in USA, Grossbritannien und Deutschland, eine Milliarde jederzeit verfügbare Angebote, 164 Millionen Käufer weltweit, 80 Prozent Neuware sowie 300 Millionen Suchanfragen täglich. Der reine Consumer-to-Consumer-Markt macht rund 25% des Handelsvolumens aus.

Nun aber zu den von Wendler prognostizierten Handels-Trends bzw. jenen, die von eBay gefördert werden sollen: 

  • Circular Economy (Kreislaufwirtschaft, bei der die Produkte über deren Lebenszyklus hinaus wieder vollständig in einen neuen Produktionsprozess eingehen)
  • Differenzen zwischen Online und Offline verschwinden
  • Enabler für Offline-kompetente Unternehmen, die an digitalem Handel teilnehmen wollen, ohne eine eigene Plattform dafür bereitzustellen - bei Kosten von 3 - 8 Prozent des Netto-Warenumsatzes (je nach Branche)

eBay selbst muss sich aber intern grossen Herausforderungen stellen, um langfristig als Handelsplatz bestehen zu können. Historisch gewachsen verfügt eBay über ein unstrukturiertes Inventar von Angeboten - keine zwei Artikel gleichen sich. 

Herausforderung ist nun die Überführung von Artikeln in Produkte mit vergleichbaren Eigenschaften. Das ist auch für die Optimierung der Customer Journey unabdingbar. Wendler dazu über die Notwendigkeit, „Angebote in die richtigen virtuellen Regale stellen“ zu können. Denn 90 Prozent der Artikel seien strukturierbar, davon 42 Prozent bereits heute strukturiert. 

Für die Verkäufer insofern eine Verheissung, als sie künftig bei der Preisfestsetzung ihrer Waren ein Dashboard verwenden können, das ihnen vergleichbare Angebote aufzeigt und somit eine Preistransparenz ermöglicht. 

Für alle eBay-Nutzer wird eine neue „Browser-Experience“ möglich. Strukturierte Daten erlauben einen differenzierten Einstieg in die Produktsuche. Künstliche Intelligenz (KI/AI) im Sinne eines „Best Match“-Algorithmus erlaubt aber auch die Abdeckung breiterer Nutzerbedürfnisse: Automatische Übersetzungen, Erhöhen der Relevanz und Genauigkeit der Suche, ein verbessertes Risiko- und Betrugsmanagement, Prognostizieren der Preis-(Entwicklung) und damit Auswirkungen auf die „Sales Velocity“. Ebenfalls adressiert werden von KI dialogorientierte Suchen à la „Am Wochenende möchte ich mit meiner Frau an der Nordsee zelten“. 

Strukturierte Kundendaten sind für eBay natürlich genau so wichtig wie für dessen Wettbewerber. Einsichten wie: „was benötigt der Kunde im Lebenszyklus“, „Relevanz des Angebotes“, „Produktkatalog“ oder „verkaufsbezogene Daten“ sind hierbei essentiell. 

Im Gegensatz zu Amazon als Marktplatz sieht Wendler sein Unternehmen vorn: man konkurriere nicht mit seinen Kunden, seien es Käufer oder Verkäufer. Vielmehr biete eBay im Vergleich zum Offline-Handel das „Äquivalent zur stationären A-Lage“.

Der Einsatz von Virtual Reality-Tools sieht Wendler ebenfalls als Treiber, sogar als weitere Revolution des E-Commerce. Einkaufserlebnisse werden inspirierend und lassen sich mit jenen in der Realität vergleichen - erste Ansätze hierzu sind bereits entwickelt. So werden User der Ticket-Buchungsplattform StubHub durch den Einsatz von VR in die Lage versetzt, sich den für sie besten Platz so auszusuchen, als seien sie während der Ticketreservierung im Stadion oder der Musikhalle anwesend.

In Australien betreibt eBay zusammen mit dem Anbieter Myer das weltweit erste VR-Warenhaus mit immerhin 12.500 Produkten. Kunden können sich via „Shopticals“, eines hübschen rechteckigen Kartons, in den ein Smartphone mit der entsprechenden App eingelegt wird (alternativ eine „echte“ VR-Brille) durch das Warenangebot browsen und ihre Artikel von allen Seiten mit den zugehörigen Informationen bewundern. Die App ist lernfähig und schneidert das Angebot des virtuellen Warenhauses bei jedem Besuch besser auf den Kunden zu.


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Das virtuelle australische Kaufhaus MYER


Einen theroretischen Zugang zum Thema Digitale Transformation im Handel wählte der aktuell in Köln lehrende und forschende Professor Hernán A. Bruno (Marketing und digitale Transformation). Das Thema seines in englisch gehaltenen Referates „How to innovate with data analytics in retail ?“ 

Dahinter versteckte sich die Kernfrage, was Handelsunternehmen mit der Fülle ihrer gesammelten Daten anfangen (sollen). „Big Data“ oder „Small Data“ - also Daten, die für eine Auswertung direkt zugänglich und verständlich sind. Zwischen diesen beiden Polen bewegte sich denn auch die sehr spannende Präsentation Brunos. 

Einführend empfahl er Händlern, zuerst einmal die existierenden Daten über Kunden, Kaufvorgänge und Strukturen auszuwerten („exploiting the existing data to make business decisions“). Für viele Händler könnten hier aber bereits die ersten Probleme lauern. Meist sind zu wenig oder aber zu viel Messwerte („metrics“) vorhanden und das Verständnis, wie Messwerte, also Daten, mit einer spezifischen strategischen Entscheidung verknüpft werden können. 

Die Logik der Messwerte sollte aber auf jeden Fall direkt oder indirekt auf die Kenngrösse Profitabilität des Unternehmens zielen sowie auf den Return on Investment (ROI). Oder ganz trivial auf den Punkt gebracht: Wie kann die „Customer Journey“ sowohl die Wahrnehmung der eigenen Marke („Brand Awareness“) als auch die Kaufbereitschaft der Kunden steigern? 

Anhand eines fünfstufigen Erklärungsmodells erläuterte Bruno die Bedeutung verschiedener Faktoren beim Erreichen der Kenngrösse Profitabilität. Er beschäftigte sich mit den Charakteristika der Daten und Messgrössen selbst, mit Unsicherheiten im Vertrieb (Auswirkungen von Preiselastizität und Risikomanagement), Variabilität - sind niedrige Preise bei allen Produkten anzustreben, Heterogenität, individualisierte Produkte zu niedrigen Preisen dank DT, unterschiedliche Preiselastizitäten in verschiedenen Shops oder Stores eines Händlers in Abhängigkeit von Kundschaft, Präferenzen, Gebiet. 

Herausforderung hier ist das „Herunterbrechen“ von vorhandenen Haushaltsdaten auf einzelne Kunden. „Dynamics“, so die vierte Stufe des Treppenmodells, beinhaltet nach Bruno Fragen zur Veränderung der Messwerte im Zeitverlauf - hier gilt es, Trends herauszufinden, welche diese Änderung bei der Marke, den Produkten oder der Marktdurchdringung fassen und erklären können. 

Auf der fünften und letzten Stufe („conterfactual“) diskutierte Bruno Fragen wie Durchsetzen bestimmter Effekte über einen gewissen Zeitverlauf (marketing- und vertriebsrelevant), z.B. Werbung während der Olympischen Spiele oder der WM, welche Art von Landing Page im Shop oder Newsletter führt zu höheren Umsätzen oder generell auch: „Was ist die Wirkung von Werbung in der Zukunft?“ 

In der anschliessenden Fragerunde wechselten sich skeptische mit stark zustimmenden Einschätzungen ab. „Wieviele Unternehmen arbeiten denn bereits nach der präsentierten integrierten Methode?“ Bruno konnte lediglich antworten, dass die grossen internationalen Off- und/oder Online-Händler schon sehr weit in der Auswertung von Small und Big Data seien - in Deutschland sei man noch etwas langsamer, so Bruno höflich.


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Knauber Innovation Store, Pulheim - Quelle: Knauber Innovation Store - Testlabor für den Handel der Zukunft, IFH Köln


Nach diesem anregenden theoretischen Diskurs führten der Co-Geschäftsführer des IFH Köln, Boris Hedde und Kai Räbiger, Direktor Regional Export der kwb tools GmbH in Stuhr bei Delmenhorst wieder auf die ganz handelspraktische Ebene zurück. 

Sie stellten das gemeinsame „Handelslabor“ „Knauber Innovation Store (KIS)“ vor unter dem Motto: „KIS - DIY-Kunden mit Innovation und Interaktion inspirieren“. Hauptziel des familiengeführten Unternehmens bei der Implementierung des KIS war es, den Kunden neue Erlebnisse im DIY-Handel zu ermöglichen. Knauber im O-Ton: „Im Innovation Store in Pulheim steht der Kunde im Mittelpunkt. Innovative Handelskonzepte werden auf der Fläche getestet, um herauszufinden, was echte Mehrwerte liefert. So profitieren sowohl die Kunden als auch die beteiligten Händler, Hersteller, und Dienstleister von dem Erlebnisort Innovation Store.“ 

Grundsätzlich könnten Spötter einwenden, naja, DIY - das ist ja auch wirklich eine verschnarchte Branche ohne jeden Eventcharakter. Mag stimmen, aber deshalb ist es nicht unbedingt leichter, mit echten Brancheninnovationen zu punkten. 

So ging Knauber das Unterfangen 2013 an. In verschiedenen Kundenbefragungen (nicht sehr ergiebig) und anschliessenden Workshops mit ausgewählten beteiligungs- und zahlungswilligen Lieferanten bzw. Herstellern wurden Konzepte entwickelt und umgesetzt, die für Kundenbegeisterung stehen können und versuchen, die Zukunft des DIY aus Kundenaugen zu betrachten. 

Hierbei war ein Aspekt, die eigenen Wege zu „glücklichen Kunden“ zu finden. Insgesamt beteiligten sich vierzehn Hersteller am „Innovationsprozess“. Seit nunmehr 24. September 2014 können sich die Kunden im Knauber Innovation Store an verschiedenen Orten des Marktes faszinieren lassen: über iBeacons geführt kommen die Kunden am Alpina 3D-Color-Designer vorbei, können sich mit dem OSRAM-Produktfinder schnell ein neues Leuchtmittel in den Wagen legen oder sind per VR-Brille Oculus Rift mit dem 240 Quadratmeter grossen Schrankstudio im Bonner Knauber-Markt verbunden - und können so ihre je passgenauen Schränke virtuell begutachten. 

kwb, eine Tochter der Einhell-Gruppe, hat sogar eine komplette Werkstatt installiert, in der Interessierte mit den kwb Tools reale Probleme bearbeiten und sich an Fliessen, Parkett oder anderen Materialien austoben können. 

Ergänzt werden diese Zugangsmöglichkeiten zu den kwb-Produkten über Events, die Grundlagenwissen im Umgang mit Materialien und Werkzeugen vermitteln - Höhepunkt: Heimwerker-Rallye. Dahinter steht freilich das Interesse von Knauber und den beteiligten Herstellern, erweiterte Erkenntnisse in Bezug auf Kundeninteressen, Produkteinschätzungen und -erwartungen zu gewinnen - der Customer Journey und somit weitere Schritte hin zum Baumarkt 2.0 zu tun. 

Vertieft werden diese Analysen durch die Einführung sogenannter „Projektbezogener Fokusgruppen“ aus interessierten Kunden, in denen nicht zuletzt auch sich wandelnde Kundenpräferenzen aufgegriffen werden sollen. Kein Wunder, dass der KIS schon die verschiedensten nationalen und internationalen Handelspreise abgeräumt hat - u.a. den Innovationspreis DIY 2014. 

In der abschliessenden Fragerunde wurde u.a. nachgehakt, wie der Knauber Innovation Store im eigenen Unternehmen und den anderen Filialen gewirkt, die Mitarbeiter beeinflusst und auch in die Branche hinein gewirkt hat. 

So führten intensive Schulungen im Vorfeld der Pulheimer Eröffnung zu einer deutlich gesteigerten Mitarbeiterzufriedenheit und auch Stolz auf das „eigene“ Unternehmen. 

Eigentlich schade, das der KIS nicht als Multiplikatorenmodell für andere Knauber-Märkte gedacht ist. Vielleicht liegt das auch an den doch recht ansehnlichen Kosten des Pilotprojektes? Der Knauber Innovation Store wird (wohl auch deshalb) in Form einer eigenständigen Firma geführt, anteilig von Knauber und den beteiligten Herstellern getragen. So oder so - die positiven Erkenntnisse aus dem KIS werden - nicht zuletzt dank der in Kürze vorzustellenden IFH-Studie „Baumarkt 2.0“ tief in die Branche hineinwirken.

Webseite des Projektes Knauber Innovation Store

IFH Institut für Handelsforschung, Universität Köln

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