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RetailWatch - Aktuell

Paperworld & Co. in Frankfurt - ein Klassiker erfindet sich (fast komplett) neu


2019-01-28 Paperworld Durchgang Hallen 3-4 Frankfurt am Main 2

Paperworld 2019 - Fair Shop im Verbindungsgang der Halle 4


Frankfurt am Main, 30.1.2019 - Kaum ist der heimische Christbaum (oder auch der im Laden) abgeschmückt und entsorgt, geht’s auch schon wieder auf zu den ersten Konsumgütermessen des Jahres. Christmasworld, Paperworld und die von vielen Besuchern sehr geschätzte Creativeworld gehören heuer mit insgesamt 87.000 Besuchern aus 161 Ländern (Zahlen der Messe Frankfurt) sicherlich zu den bedeutendsten Frühjahrsmessen. Gut 3.100 Aussteller aus 68 Ländern, darunter lediglich noch 17% aus Deutschland, bestücken die drei Veranstaltungen. 

Dabei schiebt sich die Messe rund um’s festliche Weihnachten und saisonale Dekoration in ihrer Bedeutung und Wertschätzung weiter nach vorne. In diesem Jahr kommt erstmals die neue Halle 12 mit zwei Ebenen bei der Infrastruktur der Christmasworld ins Spiel. Dazu die Hallen 8, 9 und 11 sowie die übersichtliche Floradecora in der Galleria. Der Trend zu Spezial Shows zeigt sich auch bei der Christmasworld: die findigen niederländischen Designer von 2dezign präsentieren mit dem „Kinemona Village“ eine traditionelle Weihnachtswelt in Safrantönen - ein wenig Sonne in der trüben Jahreszeit zaubert vielen Besuchern ein Lächeln auf’s Gesicht. 

Trendshows des Frankfurter Stilbüro bora.herke.palmisano zeigen vier unterschiedliche Weihnachts- bzw. Dekowelten und bieten in ihren „Trend Talks“ auch gleich eine mehr oder weniger philosophisch-überhöhte Interpretation ihrer Inszenierungen an. Aber das gehört natürlich auch zum Spiel - und den Besuchern bleibt es letztlich überlassen, ob und wie sie den Transfer im Kopf und zu ihren eigenen Verkaufsflächen gestalten. 

Spannend auch die Inspirationsmöglichkeiten für die Grossfläche, Shopping Center oder ganze Innenstädte. Hier denken die Verantwortlichen der Frankfurter Messe deutlich weiter, als bis zum nächsten Tannenwäldchen. Natürlich gibt es auch auf der Christmasworld Fachvorträge und das Megathema „Verbinden von stationärem Handel und E-Commerce“ ist allenthalben präsent.

Die Paperworld spielt im Messetrio mit 1668 Ausstellern aus 64 Ländern eine besondere Rolle. Allerdings scheint der Lauf vieler Messebesucher gerade hier etwas zu „quietschen“: Die Halle 6.1 - bislang Heimat der eher designorientierten Aussteller und solchen mit hochwertigem Sortiment, darunter viele aus Deutschland, Europa und den USA - wird saniert und steht dem Messebetrieb folglich nicht zur Verfügung. „Halb verschluckt“ wird auch die traditionelle Trend-Sondershow - bislang im Übergangsdreieck zwischen der Via Mobile und den Hallen 5.1 und 6.1 angesiedelt (und nun Teil der 3.1). Viele der hiesigen Aussteller finden sich nun ebenfalls  in der Hallenebene 3.1 wieder - was der Standstruktur und -qualität nicht unbedingt frömmen muss. 

2019-01-28 Paperworld Trendshow 3 1

Sondershow Halle 3.1

Als Besucher und im Gespräch mit Ausstellern und Fachpublikum spiegelt sich dieser Eindruck wieder: viele Stände wirken in der imposanten Halle 3.1 fast etwas verloren, andere scheinen sich eher etwas zu „muskulös“ zu präsentieren. Vielleicht rührt auch daher der Eindruck, dass die Dichte der Fachbesucher in den Gängen wie auf den Ständen häufig sehr übersichtlich ist - lange Gesichter bei gelangweilten Ausstellern eingeschlossen. Allerdings sieht es in der Halle 5.1 - hier überwiegend asiatische Aussteller mit OEM-Verbrauchsmaterialien für Drucker & Co. - der „Remanexpo“ auch nicht wirklich besser aus.  

Richtig verstanden, auch der Paperworld merken die Besucher an, dass neben den reinen Standpräsentationen auch die Konzeption des Rahmenprogramms grosse Aufmerksamkeit erfährt - gerade dem kleinen und mittelständischen Fachhandel wird hier - soweit die Offenheit vorhanden ist - echter Mehrwert auf dem Messerundgang geboten, zumal die Ausstellung in der Hallenebene 3.0 schon deutliche Anleihen bei der Kölner Fachmesse „Orgatec“ nimmt - nicht zu vergessen die Sonderschau „Lernen der Zukunft“ in 4.0 - hier werden Messeformate wie die „Didacta“ oder die „Learntec“ adressiert.

2019-01-28 Paperworld Trendshow 3 1-2

Sondershow Halle 3.1

Last but not least - die Creativeworld, mit 362 Ausstellern aus 44 Ländern zwar die kleinste Teilmesse - allerdings mit dem weiter wachsenden Handelssegment DIY, Malen, Zeichnen, Basteln und Gestalten. Händler können sich auch hier durch sehr praxistaugliche Veranstaltungen wie das „Urban Art Lab“, das „Fachhandelskonzept 4.0 - Upgrade your Store“ oder die „Creativeworld Trends 2019/20“ inspirieren lassen und direkt umsetzbare Anregungen und Präsentationskonzepte mit nach Hause nehmen. Und wer von Ihnen gelegentlich in diesem Handelssegment unterwegs ist, weiss auch, dass diese Karte von zahlreichen Händlern gezogen werden sollte.

Was bleibt also nach den vier bzw. fünf Messetagen? Auf der einen Seite sicherlich die Erfahrung, dass die Frankfurter Messemacher sich bemühen, ihre klassische Besucherklientel aus dem immer noch weitgehend mittelständisch geprägten Fachhandel einzusammeln und durch neue Ideen zu inspirieren, auf der anderen Seite aber auch der Versuch, sich enger mit den politisch Verantwortlichen für die Gestaltung der Innenstädte zu verzahnen, denn deren Bedeutung und Zukunft erscheinen in vergleichsweise rosigen Farben - allerdings wird nach Einschätzung vieler Experten (wie z.B. kürzlich der Münchner CIMA) der Einzelhandel in seiner jetzigen Form zu dieser Farbpalette immer weniger beitragen. 

Bleibt die nicht zum ersten Mal geäusserte Anregung, die innovationsfreudigen Händler Frankfurts (oder auch der Region) anlässlich der Konsumgütermessen wie den besprochenen oder der bevorstehenden Ambiente, stärker mit ins Messegeschehen einzubeziehen - bei der Heimtextil hat das jahrelang mit dem Konzept „…goes City“ gut funktioniert. Aber vielleicht steht dem ja auch eine geänderte Motivationslage der Händler angesichts knapper werdender Ressourcen und zurückgehender Margen gegenüber? 

Auffallend auch die weiter zurückgehende Bedeutung heimischer Aussteller. Liegt es an den Ausstellungskosten, die auch bei überschaubaren Standgrössen schnell mal den Einsatz höherer fünfstelliger Summen erfordern oder umgekehrt an den Export- und Messesubventionen, die gerade bei unserem bedeutendsten fernöstlichen Handelspartner anscheinend sehr grosszügig ausgereicht werden? Und wie schaut es mit der auch nicht gerade neuen Idee einer kuratierten Messe bzw. Messeteils aus? Auch hier gäbe es genügend potentielle Schwerpunkte - nicht nur, aber natürlich auch rund ums Thema Design.

Update 4 - …und wieder grüsst die Deutsche Warenhaus AG


2018-09-06 PIXABAY Fusionsgespraeche Kaufhof-Karstadt Deal closed

Quelle: pixabay.com - Abbildungen Public Domain bzw. gemeinfrei nach CC0 1.0 Universell (CC0 1.0) -
Bearbeitung: Michael Borchardt


Köln/Essen/Toronto/Wien, 27.1.2019 - “…da denk i ma doch / Es hat wohl so kumma müassn / I glaub oiwei / Du hast as so wolln, Willy“. 

Konstantin Wecker hatte im legendären musikalischen Nachruf auf seinen von einem Neo-Nazi erschlagenen Freund 1977 sicherlich anderes im Sinn, als dereinst damit in einem Intro zur Fusion zweier Warenhauskonzerne zitiert zu werden - ich bitte um Nachsicht, sehr verehrter Herr Wecker.

Aber der Gehalt der Worte trägt leider auch in unserem Kontext - nur sollte man den Namen „Willy“ durch andere ersetzen - Sie haben da sicherlich schon einige im Kopf.

Als im Herbst 2018 die Fusion von Karstadt und Kaufhof zur „Deutschen Warenhaus AG“ unter dem juristischen Dach der österreichischen Signa Retail von René Benko vollzogen wurde, waren die Befürchtungen um die Zukunft der beiden Kaufhauskonzerne gross.

Welche der bestehenden Standorte sollten abgebaut, wieviele der Mitarbeiter entlassen werden, welche Umstrukturierungen würde es geben?

Nach einem guten Vierteljahr sehen die Beteiligten klarer - und das dürfte vielen Mitarbeitern des neuen Unternehmens den Start ins Jahr 2019 gehörig vermiessen.

Die ausführliche Pressemitteilung der Karstadt Warenhaus Kommunikation vom vergangenen Freitag (25.1.) titelt „Geschäftsführung stellt umfassendes Sanierungskonzept für Galeria Kaufhof vor“ und lässt nicht nur eine Katze aus dem Sack.

Galeria Kaufhof wird demnach „in derzeitigem Zustand“ die Überlebensfähigkeit abgesprochen - es bestünde ein „kurzfristiger Finanzbedarf in dreistelliger Millionenhöhe“ - die Kosten sollten deutlich reduziert, die Unternehmenszentralen in Essen zusammengelegt und - 2.600 Vollzeit-Mitarbeiterstellen abgebaut werden (im Handel mit seinem hohen Teilzeit-Anteil summiert sich das schnell mal auf gut 4.000 - 5.000 Jobs).

Mehrere Argumente für die geplanten Einschnitte bei Kaufhof führt die Karstadt-Unternehmensführung in der PM an:

  • im November 2018 musste die SIGNA Galeria Kaufhof bereits mit einem „signifikanten“ Millionenbetrag „stabilisieren“
  • im Weihnachtsgeschäft stellte sich das Filialergebnis von Galeria Kaufhof umsatzbezogen auf minus vier Prozent; online auf minus 1 Prozent (jeweils gegenüber Vorjahreszeitraum)
  • das im Anschluss an die Fusion umgehend gestartete Sanierungsprogramm „Turn 2 Win“ zeitigt nicht die gewünschten Effekte bei der Galeria Kaufhof - im Frühjahr 2019 seien bereits „weitere Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe“ notwendig

„Dr. Stephan Fanderl, Geschäftsführer SIGNA Retail und CEO des Warenhausunternehmens: 'In seinem derzeitigen Zustand ist Galerie Kaufhof langfristig nicht überlebensfähig. Die wirtschaftliche Gesundung von Karstadt Warenhaus zeigt aber, dass perspektivisch das Warenhausgeschäft in Deutschland insgesamt wieder erfolgreich und profitabel betrieben werden kann. Die bei Karstadt laufende Strategie des vernetzten Marktplatzes der Zukunft funktioniert. Sie kann jedoch nur auf Galeria Kaufhof ausgerollt werden, wenn dieses Unternehmen wieder auf einer stabilen Grundlage steht.‘ " 

Der aktualisierte Sanierungsplan für die Galeria Kaufhof konzentriert sich auf folgende Massnahmen:

  • zentrale Aufgaben der bisherigen Kaufhof-Verwaltung werden von Köln nach Essen zur Karstadt-Zentrale verlagert (Führung und Verwaltung) - Wegfall von ca. 1.000 Vollzeitstellen und „Einsparung von Sachkosten in Millionenhöhe“ sowie Zugewinn an „Schnelligkeit und Effizienz“
  • Abbau unnötiger Hierarchieebenen und vorhandener Doppelfunktionen
  • Köln bleibt für das gesamte Unternehmen von grosser Bedeutung - „(h)ier soll ein Kompetenz­Center für Digitalisierung und eCommerce aufgebaut werden (-) auch das Off Price­Geschäft behält hier seinen Sitz“
  • Verwaltung von „Gastronomie (Le Buffet und Dinea) und Lebensmittelgeschäft (Karstadt Feinkost und Galeria Gourmet)“ soll in Köln-Porz konzentriert werden
  • die 15 Food-Abteilungen sowie der Lebensmitteleinkauf von Galeria Kaufhof werden mit Karstadt Feinkost fusioniert
  • es sind keine weiteren Filialschliessungen geplant - die bestehenden Häuser von Galeria Kaufhof und Karstadt werden als „wertvolle innerstädtische Logistikstandorte“ betrachtet - „Doppelstandorte bieten (…) besondere Chancen zur Schwerpunktbildung und Differenzierung“
  • Neuer bei Karstadt bereits etablierter Kundenfokus wird künftig auch bei Galeria Kaufhof und deren Filialen angestrebt - "Warenservice", "Verkauf/Beratung" und "Kasse" (d.h. weitere Spezialisierung der Mitarbeiter, Umsetzen in niedrigere Gehaltsgruppen und zusätzlicher Einsatz externen Personals - auch in der Beratung durch Handelsagenten der Hersteller und Lieferanten, MB)
  • „gemeinsame Verbundstruktur“ der Galeria Kaufhof- und Karstadt-Filialen unter Leitung „des neuen Vertriebschefs Thomas Wanke“
  • zusammengenommen ist hier der Abbau weiterer 1.600 Vollzeitstellen geplant
  • die beiden „Offprice“-Segmente „Look & Viel“ sowie „Saks Off 5th (HBC)“ werden nach ihrer Zusammenlegung neu ausgerichtet - Pilotprojekte neuer inhouse-Shops sollen sowohl in Karstadt- als auch in Galeria Kaufhof-Filialen pilotiert werden - die Möglichkeiten der „cross-channel-Vermarktung“ (auch) dadurch gestärkt werden
  • Karstadt Sports als Wachstumstreiber könnte in bestehende „Saks Off 5th“-Filialen expandieren
  • Karstadt Reisen soll auch in den Galeria Kaufhof-Filialen Synergieeffekte schaffen
  • Galeria Kaufhof kündigt den aktuellen Flächentarifvertrag mit ver.di auf und strebt die Verhandlungen zu einem Sanierungstarifvertrag an - ver.di bezeichnete die vorgestellten Pläne spontan als „untragbar“

Betriebswirtschaftlich liest sich das vorgestellte Sanierungskonzept trotz aller geplanten Einschnitte auf den ersten Blick vernünftig und die Erhaltung der Standorte ist ebenfalls von immenser Bedeutung für die Zukunft des innerstädtischen Handels, wirken Kaufhausfilialen doch als Magnet zur Stabilisierung und Führung der Kundenfrequenz. Dennoch haben wir grosse Zweifel an der langfristigen Zukunft der gemeinsamen Warenhausunternehmung. In jüngeren Kundenzielgruppen ist das Konzept „Kaufhaus“ extrem „out“ - und nicht zuletzt durch die kontinuierliche Restrukturierung des Markenangebots und der Produktpalette findet sich auch die noch aktive Käuferschicht ab 35 immer seltener in den Filialen von Karstadt und Kaufhof zurecht.

Deutschlandweit warten immerhin werktäglich an 240 Standorten aktuell noch rund 32.000 Mitarbeiter auf ihre Kunden - möge das auch in der Zukunft so bleiben. 

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Köln/Essen/Toronto/Wien, 11.9.2018 - Wie mehrere Medien berichten, ist die Fusion von Karstadt und GALERIA Kaufhof jetzt endgültig vollzogen worden. Aktuell beschäftigt das neue Unternehmen Deutsche Warenhaus-Holding zusammengenommen 32.000 Mitarbeiter an 243 Standorten. Die Immobilien teilen sich die SIGNA und die kanadische HBC zur Hälfte - wobei das GALERIA Kaufhof-Haus in Köln sowie das Carsch-Haus in Düsseldorf zu 100 Prozent an René Benkos SIGNA gehen.

Neben Karstadt und GALERIA Kaufhof umfasst der Handelsriese künftig auch die niederländischen HBC-Kaufhäuser, die belgischen Galeria-Inno-Warenhäuser, Saks Off 5th, Karstadt Sports sowie die Lebensmittel- und Gastronomiesparten der beiden Ursprungsunternehmen. Dazu Karstadt.de, Kaufhof.de sowie weitere Online-Shops.

Zu den weiteren Konsequenzen der Fusion die Frankfurter Allgemeine Zeitung auf ihrer Website:

Beide Seiten versprechen sich von ihrer ‚Fusion unter Gleichen‘ auch Einsparungen. In der Kaufhof-Belegschaft jedoch gibt es Ängste vor einem erheblichen Sttellenabbau. Details zu Sparplänen nannten HBC und Signa bislang nicht. Fachleute halten es allerdings für wahrscheinlich, dass sich Geld sparen lässt, indem einer der beiden Hauptsitze der bisher getrennten Ketten geschlossen wird. Zudem sind Filialschliessungen wahrscheinlich. Potential gibt es auch in der Logistik und beim Einkauf, denn die Fusion und die damit einhergehende Bündelung von Einkaufsmacht dürfte es Kaufhof und Karstadt ermöglichen, bessere Konditionen von den Lieferanten zu bekommen.

Laut Angaben der Lebensmittel-Zeitung und Bild am Sonntag ist René Benkos SIGNA-Holding bereit, 250 bis 300 Millionen Euro in die Sanierung der GALERIA Kaufhof-Sparte zu stecken - Sozialpläne eingeschlossen.

Vorab werden sich nicht zuletzt die deutschen Kartellbehörden intensiv mit der Fusion beschäftigen - Markt- und Einkaufsmacht der Deutsche Warenhaus-Holding sind künftig nicht zu unterschätzen.


Spannend und ergänzend hierzu der historische Überblick von Jerome Busch (FAZ) zum Verschwinden der deutschen Kaufhäuser.

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Köln/Essen, 6.9.2018 - Wie Michael Kläsgen auf Süddeutsche.de exklusiv berichtet, ist der Übernahmedeal der GALERIA Kaufhof AG durch Karstadt in trockenen Tüchern, die Banken überzeugt. Unterzeichnet werden soll der Deal in den nächsten Tagen - bis zum 15. September 2018.

Demzufolge werden die Geschäfte der beiden Warenhausriesen zu einem Joint Venture zusammengelegt; Signa Retail, Teil des Immobilienkonzerns René Benkos, wird die Mehrheit daran halten.

Der neue Warenhauskonzern wird dann nach dem spanischen Wettbewerber El Corte Inglés an zweiter Stelle in Europa rangieren. Allerdings werden solche Transaktionen ja nicht aus reiner Freude an Grösse geschlossen, sondern nicht zuletzt, um Kostenvorteile zu realisieren. Dazu wird auch im aktuellen Fall der Wegfall von rund einem Viertel der 20.000 Stellen bei der GALERIA Kaufhof führen - mutmasslich verbunden mit Lohnkürzungen bei den verbleibenden Mitarbeitern im Rahmen eines Sanierungstarifvertrags. Michael Kläsgen zufolge werden Sozialpläne erstellt werden - er erläutert zusammenfassend dazu:

„Wie die SZ aus Bankenkreisen erfuhr, soll Signa das gesamte Management des Gemeinschaftsunternehmens stellen. Geführt werden soll es vom derzeitigen Karstadt-Chef Stephan Fanderl, der auch Chef der Einzelhandelssparte von Signa ist, sowie von Karstadt-Finanzchef Miguel Müllenbach. Von HBC soll niemand am Management beteiligt sein. Deren Vertreter sollen im Aufsichtsrat sitzen. Das sei eine Forderung der Banken gewesen sein, hiess es. 

Faktisch übernimmt Signa 50,01 Prozent am Warenhausgeschäft des Joint Ventures. Zwei Immobilienpakete, eines mit 41 Häusern, ein anderes mit 18 Gebäuden, teilen sich beide jeweils zur Hälfte. Der Kredit, den das Bankenkonsortium vor drei Jahren den Kanadiern bewilligte, um den Kauf von 41 Kaufhof-Immobilien zu finanzieren, läuft weitere sieben Jahre. Das beschlossen die Vorstände der beteiligten Geldhäuser unter Führung der LBBW. 

Durch die Fusion entsteht der zweitgrößte Warenhauskonzern Europas nach dem spanischen Unternehmen El Corte Inglés. Er erwirtschaftet mit mehr als 30 000 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von etwa fünf Milliarden Euro, El Corte Inglés kommt auf mehr als das Doppelte.“

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Köln/Essen/Stuttgart, 27.8.2018 - „Die Fusion zwischen Kaufhof und Karstadt wackelt“ übertitelt die Süddeutsche Zeitung in ihrer Online-Ausgabe den aktuellen Stand der Verhandlungen zwischen den Eigentümern der beiden Kaufhaus-Konzerne. Grund dafür sei „eine Art Ultimatum“, das die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) an die kanadische Hudson’s Bay Company (HBC), die Eigentümerin der GALERIA Kaufhof AG gestellt habe. Der Meldung zufolge bestehe die LBBW auf Einhaltung von nicht näher beschriebenen „Kreditbedingungen“ - bis Ende September.

Die Liquiditätslage des kanadischen Traditionsunternehmens ist jedoch bereits jetzt sehr angespannt - so könnte die LBBW mit ihrer Forderung den geplanten Zusammenschluss der beiden Kaufhausketten verhindern.

Allerdings zeigt sich vor diesem Hintergrund einmal mehr, dass es den Eigentümern in erster Linie um den Einfluss auf Handelsimmobilien in ersten Lagen geht und kaum um das traditionelle Warenhausgeschäft. Michael Kläsgen von der Süddeutschen Zeitung zitiert in seinem Beitrag aus einem Brief der LBBW an HBC vom 31. Juli, dass die Bank nun endlich auf die Einhaltung der 2015 getroffenen Kreditvereinbarungen per 30. September 2018 dränge, andernfalls den Kredit in Höhe von 1,34 Milliarden Euro fällig stellen könne.

Verbrämt werden sollte dieser gravierende Umstand durch die aktuelle Ferienzeit, in deren Folge sich massgebliche Bankmitarbeiter in Urlaub befänden usw. - die klassische PR-Salamitaktik. Sähe sich HBC definitiv mit den genannten Forderungen konfrontiert, müsste die geplante Fusion zwischen Karstadt, vertreten durch dessen österreichischen Investor René Benko und der GALERIA Kaufhof platzen.

Michael Kläsgen dazu:

„Doch bislang ist HBC den Forderungen nicht nachgekommen. Deswegen lässt die sogenannte Deutsche Warenhaus AG, bestehend aus 34 000 Mitarbeitern und fast 200 Kaufhäusern, weiter auf sich warten. Sie wäre nach El Corte Ingles aus Spanien der zweitgrößte Warenhauskonzern Europas - zusammengezimmert aus der Not heraus, weil Kaufhof und Karstadt seit Jahren vor allem gegenüber dem Onlinehandel an Umsatz verlieren. 

Das Warenhausgeschäft wäre bei der Fusion allerdings so gut wie nichts wert. Eigentlich geht es bei der Fusion fast nur um Immobilien. Als HBC vor knapp drei Jahren Kaufhof erwarb, finanzierte ein Konsortium rund um die LBBW den Kauf von 41 der insgesamt 96 Kaufhof-Gebäude mit dem besagten Darlehen in Höhe von 1,34 Milliarden Euro. Zweimal im Jahr prüft das Konsortium, ob HBC die in dem Kreditvertrag gemachten Zusagen einhält.

HBC ist nicht zuletzt in diese Klemme im Deutschland-/Europa-Geschäft geraten, weil die GALERIA Kaufhof-Filialen von Jahr zu Jahr höhere Verluste schreiben - und sie sind im Gesamtkonstrukt die Mieter der jeweiligen Kaufhaus-Filialen. Der Return on Investment verschiebt sich demzufolge für HBC weiter nach hinten - auf unbestimmte Zeit. Die Süddeutsche Zeitung berichtet von einem zum 31. Januar 2018 aufgelaufenen Verlust vor Zinsen und Steuern (Ebit) von 86 Millionen Euro. Hier müssten jedoch längst positive Vorzeichen zu vermerken sein, damit das vertragliche Konstrukt aufgehen könnte.

Neben der LBBW dürften weitere Banken von HBC und der GALERIA Kaufhof auf den Plan treten, um ihre Forderungen geltend zu machen - das schaut kritisch aus.

So lässt sich GALERIA Kaufhof bereits von der internationalen Insolvenzverwaltung White & Case beraten, um nicht in juristische Strudel zu geraten. White & Case beschäftigt Anwälte, die mit Hertie bereits Erfahrung in der Beratung von Warenhäusern haben und deren aktuelles Geschäftsmodell sehr gut verstehen.

Die Süddeutsche ergänzend:

„Geschäftsführer stehen nach deutschem Recht auch gegenüber den Gläubigern, also unter anderem den Banken, in der Verantwortung. Eine Verletzung der Treuepflicht kann dann möglicherweise einen Straftatbestand darstellen, der entsprechend geahndet werden könnte. Es liegt daher auf der Hand, dass sich die Kaufhof- Geschäftsführung rechtlich absichern will.“

Den Fokus auf Österreich gerichtet bedeutet die aktuelle Gemengelage, dass René Benko v.a. eine Insolvenz der GALERIA Kaufhof fürchten müsste, da er in diesem Fall mutmasslich nicht mehr wie geplant das gesamte Unternehmen übernehmen könnte, sondern sich gegebenenfalls in Bieterverfahren für Teile des Konzerns engagieren müsste. Und das ist sehr unwahrscheinlich.

Und die Mitarbeiter sitzen weiter auf heissen Kohlen.

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Köln/Essen, 5.7.2018 - Jetzt wird es also ernst. Die Verhandlungen zwischen René Benko von der österreichischen Signa-Holding und Kaufhof-Eigentümer HBC Hudson’s Bay Company sind in eine entscheidende Phase getreten. 

Wie neben anderen Michael Kläsgen auf Süddeutsche.de berichtet, unterzeichneten beide Seiten am Dienstag ein sog. „Wrapper Agreement“, „die Ummantelung eines 200 Seiten umfassenden Vertragswerks.“ Die neue „Europäische Warenhaus AG“ mit dann rund 37.000 Beschäftigten wird neben den Karstadt- und den GALERIA Kaufhof-Häusern auch Warenhäuser von HBC in Belgien und den Niederlanden umfassen.

Als CEO ist Stephan Fanderl vorgesehen, der Vorstandschef von Karstadt und Signa Retail (Einzelhandelssparte der Signa Holding). Von Kaufhof-Seite wird dann Bernd Beetz dazu stossen - als Aufsichtsratsschef. Erst im Mai 2018 wurde er in den Aufsichtsrat der GALERIA Kaufhof GmbH berufen.

Die andauernde „Due Dilligence-Prüfung“, also die Durchsicht der Bücher der GALERIA Kaufhof GmbH, soll demzufolge bis Ende Juli abgeschlossen sein - spätestens aber im Laufe von vier bis sechs Wochen.

Zu den Details der Übernahme Michael Kläsgen in seinem Artikel „Karstadt steht kurz vor der Übernahme von Galeria Kaufhof“ vom 5.7.2018:

Die Vereinbarung sieht vor, dass Signa für etwa 100 Millionen Euro 51 Prozent des Warenhausgeschäfts von Kaufhof übernimmt, und zwar ohne Bankschulden. Diese sollen in einer Höhe von etwa 200 Millionen Euro aus steuerlichen Gründen von HBC abgedeckt werden. Für eine Summe zwischen 700 und 800 Millionen Euro beteiligt sich Signa darüber hinaus an der Immobilienfirma HBS Global Properties von HBC, der 41 Kaufhof-Immobilien in Deutschland gehören. Handelsimmobilien vor allem in Innenstadtlage sind derzeit extrem begehrt.

Befürchtungen, dass nach der Übernahme durch Karstadt eine zweistellige Zahl von Kaufhaus-Filialen in Deutschland geschlossen werden soll, werden aktuell noch dementiert. Allerdings könnten „drei bis fünf defizitäre Filialen“ ein letztes Mal zusperren.

Überkompensiert werden könnte diese Entwicklung durch die Neueröffnung von (Karstadt-)Filialen - aktuell betreibt René Benkos Signa-Holding 82 davon - dem stehen 96 GALERIA Kaufhof-Häuser entgegen.

Natürlich führte eine für den neuen Konzern sinnvolle Konzentration - bei Verwaltung, IT, und natürlich dem Einkauf - zu enormen Kosteneinsparungen.

Hersteller müssten sich „warm anziehen“ - und wie das Bundeskartellamt dazu urteilen wird, werden wir auch noch sehen müssen.

Was allerdings die Beschäftigten der jetzigen Konzerne angeht - so schnell dürften selbst gewollte Standortschliessungen nicht über die Bühne gehen - laufende Mietverträge helfen hier, ein Debakel zu vermeiden.

Zum jetzigen Zeitpunkt ist also sicherlich noch nicht alles wirklich gut - aber die Richtung stimmt. Karstadt könnte auch im neuen Konzern wieder für Profitabilität sorgen - weil sie verstanden haben, wie der deutsche Einzelhandel tickt.

Lozuka.Connect - Symposium diskutiert spannende Entwicklungen im Local Commerce


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Siegen, 17.1.2019 - Zwei Tage lang diskutierten Experten und Teilnehmer in Siegen auf der Konferenz „Lozuka.Connect“ (fast) sämtliche Aspekte des aktuellen Themas „Local Commerce“.

Local Commerce? Der Eintrag in Gablers Wirtschaftslexikon definiert es so:

„wörtlich: Lokaler Handel, bezeichnet den Ansatz, lokale Einzelhändler konkurrenzfähig zum Online-Handel zu machen, indem diese neben ihrem physischen Vor-Ort-Handel zusätzlich E-Commerce betreiben. Oftmals wird dieses Bestreben unterstützt durch sog. Lokale Shopping-Plattformen, die ihre Zielgruppe auf Kunden aus der örtlichen Umgebung beschränkt, um Dienste wie Click-and-Collect oder Same-Day-Delivery anbieten zu können."

Sie sehen, ein brandheisses Thema, denn viel Zeit bleibt dem stationären klein- und mittelständischen Handel mutmasslich nicht mehr, um seine Umsatzsituation zu stabilisieren, die Erträge wieder zu steigern und sich so mittel- und langfristig gegen E-Commerce-Giganten wie Amazon, eBay oder Zalando zu behaupten. 

Selbst die gerade fusionierenden Kaufhausketten Karstadt und Kaufhof haben sehr lange gebraucht, um entsprechende Initiativen auf den Weg zu bringen und erfolgreich zu betreiben - und hier reden wir von etwas grösseren Ressourcen, als sie dem kleinteiligen Einzelhandel durchschnittlich zur Verfügung stehen.

Ein gutes Dutzend Experten aus Handelspraxis und -forschung gab also sehr unterschiedliche Einblicke in das Phänomen „Local Commerce“ - in der Kürze seien einige exemplarisch herausgegriffen.

Marco Butz, Hausherr der Veranstaltung und bei der IHK Siegen neben der Öffentlichkeitsarbeit auch zuständig für sämtliche Themen rund um den Einzelhandel, ging in seinem Referat sowohl auf die wirtschaftliche Bedeutung des Einzelhandels als auch die weitere Expansion des E-Commerce ein. Für ihn war nach den ersten beiden Jahren mit Lozuka in Siegen klar - nur die Verbindung von stationärem Handel mit einer Online-Komponente bringt’s - folglich der regionale Online-Marktplatz als Idealvorstellung? 

Ableiten lassen sich diese und ähnliche Schlussfolgerungen aus dem von der IHK Siegen durchgeführten Studie „Zentrumsmonitor 2018 für die Kreise Siegen-Wittgenstein und Olpe“ - denn das Internet habe mit Abstand „die höchste Zentralität“.

Jörg Hamel, Geschäftsführer Handelsverband NRW, weitete den Blick auf die ganz besondere Bedeutung des kleinteiligen Einzelhandels für die Attraktivität der Innenstädte - denn Gastronomie allein könne ja wohl auch nicht für eine optimale Aufenthaltsqualität in den Städten sorgen. Er verwies auf die Analyse „Vitale Innenstädte“ des IFH Köln, die grosso modo für die Region NRW ganz ordentliche Werte gemessen habe. Und auch die fachliche Qualifikation der Einzelhändler dürfte durch die Verfügbarkeit der ersten Absolventen des neuen IHK-Ausbildungsgangs „Kaufmann/Kauffrau im E-Commerce“ im Jahre 2021 eine deutliche Aufwertung erfahren. Allerdings seien in NRW erst zwei Berufsschulstandorte in der Ausbildung aktiv.

Sorgen bereitete ihm das Weihnachtsgeschäft der stationären Einzelhändler seines Betreuungsgebiets: bestenfalls gleichbleibend gegenüber dem Vorjahr, häufig jedoch schlechter als 2017. Im E-Commerce hingegen gebe es weiter Zuwächse, zunehmend auch in Branchensegmenten, die bislang noch sehr stark vom Präsenzkauf profitierten wie Baustoffe oder „weisse Ware“ (Haushaltsgrossgeräte). Hamel sprach jedoch auch die Sorgen von Händlern an, die sich auf grossen Handelsplattformen wie Amazon engagierten: „Market Place“-Händler seien häufig unzufrieden mit der Betreuung durch Amazon, fühlten sich bei „Renner“-Produkten vom Online-Giganten ausgebootet (indem dieser solche Produkte binnen kurzer Frist selbst anbiete), hätten rechtliche Probleme mit dem weltweiten Verkauf ihrer Produkte und realisierten nicht selten morgens gesperrte Händlerkonten, weil Amazon diese unter mehr oder minder fadenscheinigen Argumenten geblockt habe. Der Slogan Jeff Bezos’, CEO des weltweit führenden Online-Händlers aus Seattle, - „It’s Aways Day 1 at Amazon“ bekomme so eine ganz neue Bedeutung.

Aber auch allgemeine statistische Einsichten, wie Rückgang des Einzelhandelskonsums an den Gesamtausgaben der Verbraucher oder der dramatische Rückgang der Kundenfrequenzen in den Innenstädten (inzwischen auch in Grossstädten) machen dem deutschen Einzelhandel sehr zu schaffen - so ginge die sog. „Naturfrequenz“ auch in Oberzentren wie Köln zurück.

Dieser Entwicklung versuche auch der Handelsverband NRW Konkretes entgegenzusetzen: Sei es ein Wettbewerb in Köln - wie „Die Besten 2018“, bei dem die Verbraucher über ihre favorisierten Handwerker, Händler und Gastronomen abstimmen können, seien es strukturierte Interviews bei klassischen Händlern, durchgeführt von Studenten mit dem Ziel, Verbesserungspotentiale aufzuzeigen. Oder professionelle Digital Coaches vom Handelsverband NRW, welche die Beratung der Händler gewährleisten sollen.

Patrick Schulte und Thimo Eckel, die beiden Geschäftsführer der Lozuka GmbH in Siegen und Gastgeber von #lozukaconnect - referierten die Erfolgsgeschichte des Marktplatzes in Siegen, der am 3. September 2016 online ging und inzwischen rund 30 Händler organisiert. Im Laufe des Jahres 2019 soll die GmbH gesellschaftsrechtlich in eine Genossenschaft umgewandelt werden - diese Entwicklung gilt auch für die regionalen Betreibergesellschaften wie die aktuell in den Startlöchern sitzende Lozuka@FrankfurtRheinMain oder deren Pendants im Isartal oder Emmendingen im Hinterland Freiburgs (die inzwischen unter www.onloka.de firmiert - MB). Händler könnten so von Mitgliedern zu Teilhabern werden, Kunden von Fans zu Unterstützern. Das gleiche gelte für Industriepartner oder öffentliche bzw. karitative Einrichtungen. 

Dabei räumte Schulte auch freimütig noch bestehende Schwachstellen des Handelskonzepts Lozuka (Lokal zuhause Kaufen) ein: So verstünden Kunden häufig noch nicht die Marktplatz- bzw. Kauf-Funktion von Lozuka und nähmen es so eher als Marketing- oder Werbe-Instrument wahr. Immerhin umfasse die zu beliefernde Region im Umkreis von 20 km um den Siegener Firmensitz rund 150.000 Einwohner - dazu kommen noch zwei weitere Regionen - Lozuka Emsaue und Lozuka Arnsberg. Perspektivisch ist für das laufende Jahr 2019 die Aufschaltung weiterer rund 20 Regionen geplant.

Das sollte nicht zuletzt kleinere Einzelhändler ansprechen, denn diese sind künftig mit einem Starterpreis von 49,90 Euro inkl. 250,- Euro-Bonumsatz bei Lozuka dabei. Da sieht die Händlerprovision beim Amazon-Marketplace mit 15-45 Prozent und einem Accountpreis von zusätzlich 29,- Euro pro Monat zzgl. Versandkosten bis 4,90 Euro pro Sendung auf einmal gar nicht mehr so günstig aus - und das unerlässliche Marketing kommt noch obendrauf!

Spannende Einblicke kamen jedoch auch von vier Siegener Händler/innen ins Spiel, die bei einer Podiumsdiskussion ihre ersten Erfahrungen mit Lozuka Siegen mit den Fragestellern im Publikum teilten. So stand für alle das problemlose Handling der Käufe, die Auslieferung an die Kunden sowie das bequeme Fullfillment im Vordergrund. Und die Marketingwirkung des Marktplatzes sei ebenfalls sehr relevant, so Manuela Fuchs vom Stoff- und Kurzwarengeschäft „Farbenrausch“ in der Siegener Oberstadt und „klassische Werbung verursacht eine Unmenge mehr Kosten“, so die engagierte Händlerin.

Spannend gerade für künftige Betreibergesellschaften waren Details wie manuelle Artikelaufnahme ins System, APIs zu den unterschiedlichsten Warenwirtschaften oder ERP-Systemen, das unbare Payment mit unterschiedlichen Karten, Präsenz bei Lozuka für Markthändler, die Zahl der Website-Besucher (bis zu 500) und Clicks pro Tag, Konversionsraten usw.

Mit interessanten Einblicken in ihren typischen Tagesablauf trugen auch Paula Böhmer, die gute Fee des Lozuka-Systems und Melanie Krämer, eine der Lozuka-Botinnen zur Abrundung der Veranstaltung bei; ergänzt durch eine Podiumsdiskussion mit engagierten Lozuka-Kundinnen und Kunden und deren durchweg positiven Erfahrungen mit Lozuka Siegen.

Andreas Haderlein, Mitinitiator der Online City Wuppertal (OCW), konnte auf seine umfangreichen Erfahrungen im Zusammenhang mit der Etablierung des ersten bundesdeutschen Online-Marktplatzes verweisen. Dabei legte er sein Hauptaugenmerk auf die Rolle der lokalen Online-Marktplätze für die Wertschöpfung und damit auf das Steueraufkommen und die Entscheidungsspielräume einer Kommune. Aber er fand auch kritische Worte für die Einzelhändler: „Vor der moralischen Entrüstung sollte technische Exzellenz im Handel stehen“, so der ehemalige Mitarbeiter des Zukunftsinstituts Kelkheim. Und viel Potential liege beim „Umparken in den Köpfen“ der Händler - Change Management und dessen professionelle Begleitung. Steigerung der „digitalen Aufenthaltsqualität“ bei den Angeboten der Händler sei das Ziel. Eine spannende und stets aktuelle Übersicht zum Thema „Local Commerce“ finden Sie auf Haderleins Webseite.

Dr. Andreas Hesse, Professor an der Hochschule Koblenz, referierte zu „Erfolgsfaktoren lokaler Online-Marktplätze“ und wollte damit auch den einhelligen Verriss der „Internet-Händler von nebenan“, den seine mit Bachelorstudenten durchgeführte Studie u.a. im Harvard Business Manager oder der Wirtschaftswoche Anfang des Jahres 2018 aufzeigte, etwas kanalisieren. Demnach führte er besagte Studie 2017 unter 150 Händlern mittels begleitender Interviews durch, um deren „Digitale Reife“ zu evaluieren. Angeschrieben wurden jedoch insgesamt 5.000 Nutzer von Local Commerce-Angeboten; davon haben 208 an der Studie teilgenommen. Im November folgte dann ein „Follow Up“ mit verändertem Studiendesign: es wurden 24 Inhaltsanalysen von Online-Marktplätzen vorgenommen, die im Gegensatz zur ersten Untersuchung ein deutlich differenzierteres Bild ergaben. So wurde z.B. analysiert, welche Zielsetzungen Händler haben, die am Local Commerce teilnehmen. Hier sind u.a. steigende Frequenz im stationären Geschäft oder ein Abbremsen des Kundenfrequenzrückgangs zu nennen. Auch die Steigerung des Bekanntheitsgrads oder eine Imageverbesserung war Händlern wichtig - in der Spitze erwarteten Händler jedoch höhere Verkaufszahlen.

Auf Kundenebene solle sowohl ein „erlebbarer relevanter Mehrwert“ stehen, ein grossartiges Einkaufserlebnis im Laden, eine Nutzung der On- und Offline-Medien und nicht zuletzt - das Durchbrechen der inzwischen notorischen Produktsuche bei Amazon oder Google.

Etwas weiter in die Zukunft des Retails blickte Prof. Dr. Dr. Björn Niehaves von der Universität Siegen. Er beschäftigte sich mit „Fragen an die Digitale Zukunft“ und fragte in seinem kurzweiligen Referat „Smart City - Quo Vadis?“ Auch bei ihm waren die Zukunft städtischer Wertschöpfung und die Innenstadtattraktivität ganz vorne bei den zu lösenden Problemen dabei. Dabei dürfte er so manchen City Manager oder Wirtschaftsförderer geschockt haben, denn Massnahmen wie z.B. freies WLAN in der Innenstadt seien zwar schöne Gimmicks, die Daten flössen jedoch in Richtung Telekom-Anbieter und die Konversionsrate derartiger Massnahmen seien für Handel und Gastronomie zu vernachlässigen. Er sprach sogar wörtlich von „Schwachsinnsangeboten“. Ähnlich am Ziel der höheren Kundenfrequenz und Konversionsrate vorbeigedacht hielt er "Shop Design", das v.a. #instagrammable sei - schön, um fotografiert und auf den eigenen Blog gestellt zu werden - von Kaufen muss indes keine Rede sein. Im Hinblick auf Lozuka forderte er noch mehr Anstrengungen, um Käufer und Nichtkäufer zu identifizieren und voneinander abzugrenzen und v.a. Überlegungen zur künftigen Motivation der Nichtkäufer.

Der nächste bitte: Wie die DIY-Branche den Sprung ins Netz verpennt

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Quelle: pixabay.com - Abbildung Public Domain bzw. gemeinfrei nach CC0 1.0 Universell (CC0 1.0)


Frankfurt am Main, 13.1.2019 - Kommt es Branchenbeobachtern nur so vor oder sind die Parkplätze vor den heimischen Baumärkten wirklich nicht mehr so stark frequentiert wie einst?

Das Fachmagazin „baumarktmanager“ nimmt die Problematik in seiner Online-Ausgabe vom 27.1.2018 genauer unter die Lupe. Demnach täuscht der subjektive Eindruck nicht. Der Kollege schreibt die stagnierenden Umsätze primär der mangelhaften Logistik der Baumärkte zu:

„Gleich ob Heimwerkerartikel zuverlässig im Markt verfügbar sein ­sollen oder dem Kunden bequem frei Haus geliefert werden: ­Ohne leistungsfähige, fein aufeinander abgestimmte Lieferprozesse ist zeitgemäßer Service im stationären Handel kaum denkbar, erst recht nicht im florierenden Onlinegeschäft.

Die Problemlage im etablierten Baumarkthandel ist bekannt: Einerseits stagnieren die Umsätze in den Märkten, auf der anderen Seite kann die Branche noch zu wenig vom Onlineboom profitieren. Insgesamt stiegen im vorigen Jahr die E-Commerce-Umsätze im DIY-Handel um 14,9 Prozent auf 3,2 Milliarden Euro. Gut die Hälfte des Kuchens sicherten sich aber nicht die etablierten Baumarktketten, sondern reine Online-Händler. Der Anteil der Bau- und Heimwerkermärkte lag gerade einmal bei 18,7 Prozent.“

Und - fast schon überflüssig zu erwähnen - auch in diesem Handelssegment haben sich unsere amerikanischen Freunde aus Seattle längst schon ein grosses Stück vom Kuchen abgeschnitten. Amazon hält nach einer im „baumarktmanager“ zitierten aktuellen Studie des Kölner Handelsforschungsinstituts IFH bereits heute 39 Prozent am Onlineumsatz mit Heimwerker- und Gartenartikeln. Da könnte der Zug für die etablierten deutschen Baumarktunternehmen fast schon abgefahren sein.

Dazu kommt das auch bei anderen Produktgruppen beobachtete Phänomen, dass Amazon häufig als Produktsuchmaschine eine Gatekeeper-Funktion einnimmt: 

„Und bei weiteren 38 Prozent der Käufe beginne zumindest die Produktsuche bei Amazon. ‚Auch wer eigentlich im Baumarkt kaufen will, recherchiert oft erst einmal online – und kauft vielleicht auch anschließend bei Amazon, obwohl der Onlinegigant nicht immer der günstigste Anbieter ist‘, beobachtet Dr. Eva Stüber, Autorin der Studie.“

Und wenn die Kunden schon einmal auf der Amazon-Website sind, ist der bekannte 1-Klick zum Kaufabschluss ja auch kein Problem mehr. Dadurch sieht Eva Stüber die klassischen Händler zunehmend vom Kundenkontakt abgeschnitten - „(e)tablierte Geschäftsmodelle sind durch die Amazonisierung oft nicht mehr zukunftsfähig“, so die Autorin der IFH-Studie.

Zieht man zudem den gesellschaftlichen Gigatrend „Convenience“ mit ins Kalkül, wird dieses Problem für die etablierten stationären Baumärkte künftig noch zunehmen. Grossen Nachholbedarf bei den Multi- oder gar Omnichannel-Angeboten der bekannten Anbieter an den städtischen Ausfallstrassen sehen auch die Verantwortlichen in den Geschäftsleitungen:  

„ ‚Beträchtliche Investitionen in die Verknüpfung von stationären Märkten und Onlinehandel sind nach unserer Überzeugung keine Option, sondern eine Notwendigkeit, um gestiegene Ansprüche der Verbraucher im digitalen Zeitalter erfüllen zu können‘, mahnt etwa Albrecht Hornbach, Konzernchef des gleichnamigen Baumarktbetreibers.“

Dabei addieren sich zu den klassisch-betriebswirtschaftlichen Versäumnissen und unvollständiger Analyse der Kundenwünsche auch handfeste Probleme ganz anderer Art: während sich der Fachkräftemangel in anderen Branchen häufig auch auf äusserst bescheidene Gehälter zurückführen lässt, fehlen nach Angaben der Nürnberger Arbeitsagentur aktuell rund 45.000 LKW-Fahrer in Deutschland (ungefähr die gleiche Zahl geht alljährlich in den Ruhestand). 

Klar, die Arbeitsbedingungen sind hart, die Tage und Nächte auf der Strasse, in engen Innenstädten und auf Autobahnrastplätzen sind lang und ein Familienleben im klassischen Sinne schaut ebenfalls anders aus. 

„Weil aber nur rund 16.000 Nachwuchskräfte pro Jahr ihre Ausbildung abschließen, wächst die Bedarfslücke ständig weiter, der verfügbare Frachtraum ist bereits knapp“, so der „baumarktmanager“ weiter.

Ausländische Fahrer und Transporteure füllen diese Lücken bislang aus; so entfallen auf diese bereits „43 Prozent des mautpflichtigen Lkw-Verkehrs in Deutschland.“

„Heimische Speditionen, Gewerkschaften, aber auch westliche EU-Länder wehren sich gegen diese Entwicklung, wogegen führende Wirtschafts- und Industrieverbände bereits die Leistungsfähigkeit der deutschen Just-in-Time-Produktion gefährdet sehen. So weist der Hauptgeschäftsführer des Logistikverbands DSLV, Frank Huster, auf die international hochgradig arbeitsteilige Logistikwirtschaft hin: ‚Ohne den zusätzlichen Einsatz vor allem osteuropäischer Lkw-Flotten würde die Güternachfrage westeuropäischer Staaten nicht mehr befriedigt werden können.‘ „

Aber zurück zu den internen Problemen der Baumärkte - bis herunter auf die Ebene der Artikelstammdaten. Hier stellt schon die blosse Zahl von mehr als 100.000 verfügbaren Artikeln eine echte logistische Herausforderung für die Warenwirtschaften dar; häufig sind es die grossen Lieferpartner, die mit ihren auf den jeweiligen Kunden angepassten Produktdaten die grössten Probleme in deren Logistik und ERP-System eindämmen.

„Während es früher vielleicht ausreichend war, die Ware sicher vom Hersteller via Zentrallager zum jeweiligen Verkaufspunkt in die Filialen zu navigieren, liegt in Zeiten von Cross Selling die Messlatte der Anforderungen noch höher. Die Daten, die jedes Produkt begleiten, sollten auch Auskunft geben über sein Handling im Versand: Wo ist die Ware abrufbar, welche Speditionsart ist die rationellste, ist Expresslieferung möglich?“

Ein effizientes Supply-Chain-Management vom Lieferanten bis zum Endverbraucher sieht also anders aus - Faxbestellungen und andere Medienbrüche sind demzufolge immer noch an der Tagesordnung - eine teure und aufwendige Prozedur, die sich effizienten Abläufen, wie sie z.B. die grossen Lebensmittelketten längst beherrschen, frontal entgegenstellt und Modernisierungsbemühungen untergräbt.

Auch scheinen sich die Baumarktketten weder in ihrer Rolle als Wettbewerber untereinander noch in ihrem Verhältnis zu ihren Lieferanten und Logistikunternehmen grün zu sein.

Und hier kommt wieder unser E-Commerce-Leader Amazon ins Spiel: allein im DIY-Bereich sind dort circa 1 Million Artikel gelistet - für Prime-Kunden häufig am gleichen oder darauffolgenden Tag verfügbar - kein zusätzlicher Kommentar erforderlich.

Update - Umbruch im deutschen Buchhandel - Thalia und die Mayersche Buchhandlung schliessen sich zusammen

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Quelle: pixabay.comAbbildung Public Domain bzw. gemeinfrei nach CC0 1.0 Universell (CC0 1.0)


Hagen / Aachen, 10.1.2019 - Da staunte die Branche nicht schlecht - kein Wörtchen drang vorab von den Gesprächen an die Öffentlichkeit. So ist die geplante Fusion zwischen Deutschlands filialstärkstem Buchhändler Thalia und dem Branchenvierten, der Mayerschen Buchhandlung mit Sitz in Aachen eine dicke Überraschung. 

Wieder einmal wird ganz gross gedacht - 355 Filialen stellen die beiden Unternehmen zusammen auf die Beine. Klar - der Marktdruck hat nicht zuletzt durch Amazons Erfolge sehr stark zugenommen und Thalia dürfte gegenüber der Mayerschen deutlich mehr E-Commerce-Erfahrung mitbringen. Die Mayersche konnte dagegen durch einen Spielwarenableger im Non-Book-Bereich know-how sammeln, wie Peter Steinkirchner in seinem Beitrag für die Online-Ausgabe der Wirtschaftswoche schreibt. 

Kritisch wird sich künftig aber die Lage für die verbliebenen selbständigen Buchhandlungen gestalten: neben schlechteren Einkaufskonditionen werden diese sich künftig mit mehr oder minder freundlichen Offerten des neuen Buchhandelsriesen konfrontiert sehen. 

Peter Steinkirchner dazu am 10.1.2019 in seinem Beitrag „Umkämpfter Buchmarkt: Fusion von Thalia und Mayersche wird den Druck im Buchhandel weiter erhöhen":

Natürlich gibt es Fälle, in denen ein Besitzer keinen Nachfolger findet und Orte, die ohne Buchladen dastünden, wenn nicht eine der Buchketten auf den Plan treten und das Geschäft weiterführen würde. Diese Situationen gibt es. Doch auch die Zahl derjenigen Buchhändler, bei denen nun mehr oder minder freundliche Angebote oder Nachfragen einlaufen, ob man nicht einmal über eine gedeihliche Zusammenarbeit reden könne, wird steigen.“

Klar - der Kuchen im Buchhandel dürfte auch in den kommenden Jahren nicht grösser werden (Lesebegeisterung wie Kundenfrequenz in den Innenstädten nehmen kontinuierlich ab) - und der Anteil des E-Commerce weiter steigen. 

Amazon ist bereits jetzt mit einem Buchumsatz von 1,3 Milliarden Euro Deutschlands grösster Buchhändler. Zudem schlafen ja auch die anderen grossen Wettbewerber nicht - Weltbild aus Augsburg (425 Millionen Euro Umsatz), Hugendubel aus München (340 Millionen Euro Umsatz) und Osiander aus Tübingen (geschätzter Umsatz rund 85-90 Millionen Euro). Dazu in Süddeutschland noch Rupprecht (Sitz in Vohenstrauss, geschätzter Umsatz rund 40-45 Millionen Euro). 

Allerdings konnte die E-Book-Reader-Allianz „Tolino", in deren Rahmen sich die grossen Buchhandelsketten bereits seit Jahren gegen Amazon verbündet haben, im Bereich E-Books gut gegen Amazon bestehen - und die Vormachtstellung des Kindle in Deutschland so bislang verhindern.

Die neue Allianz zwischen Thalia (950 Millionen Euro Umsatz) und der Mayerschen soll nach Worten der beiden Geschäftsführer bzw. Inhaber Hartmut Falter (Aachen) und Michael Busch (Hagen) offen für weitere Partner sein - vielleicht erleben wir da in den nächsten Monaten und Jahren noch einige Überraschungen.

Georg Giersberg in seinem Artikel für die FAZ-online vom 10.1.2019 „Fusion im Buchhandel: Thalia übernimmt Mayersche“:

Der bisherige geschäftsführende Gesellschafter der Mayerschen, Hartmut Falter, bringt sein Unternehmen in Thalia ein und erhält dagegen Anteile an der größeren Kette, Thalia. Er wird zudem zweiter geschäftsführender Gesellschafter bei Thalia. Die Filialkette, vormals ein Teil des Douglas-Konzerns, gehört heute mehrheitlich der Freiburger Verlegerfamilie Herder. Weitere Anteilseigner sind der frühere Douglas-Eigentümer Kreke, der Geschäftsführer Michael Busch und die Familie Göritz.“

Schwierig wird die Situation für die mittelständischen Verlage - hier wird die nochmals erstarkte Nachfragemacht des neuen Zusammenschlusses weiteren Druck auf die Margen ausüben.

***

Freiburg / Hagen, 1.8.2016 - Ein klein wenig muss man sich schon die Augen reiben ob der Nachricht: der Freiburger Herder-Verlag steigt bei Thalia ein. 

Moment, das lief vor zwanzig Jahren doch auch schon mal anders herum. 

Richtig, damals verkaufte die Verlegerfamilie Herder ihre Buchhandlungen an die Familie Kreke, welche diese in die Thalia-Filialkette integrierte. Lediglich die Carolus-Buchhandlung in Frankfurt am Main, damals noch in günstiger Lage am Liebfrauenberg, blieb im Besitz von Herder. 

Und nun?

Thalia ist auf dem deutschen Buchmarkt der zweitgrösste Spieler nach Amazon und mit seinen mehr als 280 Buchhandlungen und einem geschätzten Bruttoumsatz von 960 Millionen Euro (lt. Buchreport online, 11.7.2016) in Deutschland, Österreich und der Schweiz zugleich auch Marktführer im Sortimentsbuchhandel des deutschsprachigen Raums. 

Verrückte Welt? Mag sein. Aber die vergangenen Jahre bei Thalia verliefen auch sehr schwankend und hie und da bewegten sich die Kunden in einer Filialwelt, die neben Lego-Figuren, Prinzessin Lillifee-Schlössern, einem breiten Schreibwarensortiment, diversen Notizbuchserien, Saisonartikeln, CDs und DVDs auch ein paar Bücher bereithielt - ins Auge fielen v.a. stapelweise Bestseller. 

Und jetzt soll alles anders werden - weg vom Kleinkaufhaus? 

Schon 2012 trennten sich die Eigentümer der damaligen Douglas Holding von ihrer Mehrheitsbeteiligung und damit auch von Thalia - diese ging an den Investor Advent International. 

Advent zerlegte und verkaufte daraufhin nach bewährter Investorenart die meisten Sparten der ehemaligen Douglas-Holding - nur für Thalia liess sich kein Käufer finden, auch nicht nach mehreren Anläufen. Also entschloss man sich zur Restrukturierung der Filialkette. 

Laut Ranjan Sen, Managing Partner der Advent International, 

„steht ‚Thalia heute, nach erfolgreicher Neuausrichtung, wieder auf wirtschaftlich gesunden Füßen und wächst aus eigener Kraft.‘ Mit den neuen Eigentümern übernehmen nun strategische Partner das Steuer, ‚die neue Impulse setzen können und damit die Marktposition von Thalia weiter stärken werden‘ “ (zitiert nach Buchreport online, 11.7.2016). 

Damit setzt sich der neue Eigentümerkreis (Konsortium) zusammen aus der Verlegerfamilie Herder, der Unternehmerfamilie Kreke als bisherigen massgeblichen Minderheitsgesellschaftern, Leif Göritz (Digitalunternehmer, ebenfalls bereits an Thalia beteiligt) sowie dem Thalia-Vorstandsvorsitzenden Michael Busch als geschäftsführenden Gesellschafter - vorbehaltlich der Zustimmung durch das Bundeskartellamt. 

Verleger Manuel Herder - er führt das Unternehmen seit 1999 in der sechsten Generation - äussert sich lt. Buchreport zum Kauf von Thalia, 

„dass es (Thalia, MB) Trends und Veränderungen im Buchhandel früh erkennen und erfolgreich gestalten kann. Zugleich steht das Unternehmen wie kaum ein anderes für den Erhalt der innerstädtischen Lesekultur, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Die intensiven Gespräche der vergangenen Wochen haben gezeigt, dass wir mit der Familie Kreke und dem Managementteam um Michael Busch die gleichen Werte und langfristige Vision für Thalia teilen.“

Mag sein, aber Herder hat sich in den vergangenen Jahren sehr stark mit Entwicklung und Beteiligungen rund um digitale und audiovisuelle Themen und mobilen Inhalten beschäftigt. 

Leif Göritz und Herder kennen sich bereits aus anderen gemeinsamen Projekten. 

Nach Karriere beim German Centre Bejing und der Boston Consulting Group ist er seit 2013 als Unternehmer und Förderer (Inkubator) digitaler Start-Ups tätig. Parallel dazu wurde er als Beirat in die Geschäftsführung der Herder GmbH berufen. 

Seit vergangenem Jahr leitet er als Geschäftsführer die Smart Mobile Factory GmbH - 2014 von ihm und der Familie Herder gemeinsam übernommen. 

Sind das alles Hinweise auf eine Rückkehr des innerstädtischen Buchhandels? Doch wohl eher auf eine verstärkte Digitalisierung von Leseinhalten. Und was ist mit der Filialgrösse? Kunden möchten inzwischen die Wahl haben zwischen wirklich grossen Buch-/Medienkaufhäusern und übersichtlichen Buchhandlungen, in denen sie sich orientieren können. Und Thalia - liegt ziemlich genau in der Mitte. Es bleibt also spannend im deutschen Buchhandel.

Update: Amazon Go - Supermarkt ohne Kassen vor der Expansion?

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Quelle: Video-Still des Trailers zu Amazon Go 


Seattle, 9.1.2019 - Vielleicht erinnern Sie sich noch an Ihre letzten Einkäufe vor den Weihnachtsfeiertagen oder an Silvester? Während sich die Kassenschlangen in Kaufhäusern, im Textilhandel, in Schuhgeschäften oder ähnlichen Outlets vielerorts in sehr überschaubaren Grenzen hielten, „stapelten“ sich die Kunden an den Supermarktkassen. 

Und als wie nervig empfinden viele von uns inzwischen die leidige Prozedur? 

Erst mühsam alles in den Einkaufswagen packen, dann in die Kassenschlange, warten ohne Ende, anschliessend alle Waren auf’s Band und dann wieder in den Einkaufswagen, damit ans Auto und dann nochmals umpacken. Geht das denn wirklich nicht eleganter? 

Doch - es geht. Neun kassenlose Supermärkte betreibt der Handelsriese Amazon unter dem Label „Amazon Go“ inzwischen in den USA. Und das mag erst der Anfang sein, wie der US-Technikblog recode.net berichtet. Er sieht allein bis 2021 ein Multi-Milliarden-Business für Amazon am Horizont heraufziehen. Einem Bloomberg-Report zufolge, so recode.net, plane Amazon in den nächsten zwei bis drei Jahren die Eröffnung von weiteren 3.000 Amazon Go-Supermärkten. 

Und das lohnt sich in doppeltem Sinne: denn die bisherigen Amazon Go-Supermärkte generieren 50 Prozent mehr Umsatz als ihre traditionell arbeitenden Wettbewerber - der Durchschnittsbon liegt bei 10 US-Dollar. Mit 550 Kunden pro Tag realisiert so jeder der bestehenden Amazon Go-Märkte 1,5 Millionen US-Dollar Umsatz pro Jahr - an rund 273 Verkaufstagen (RBC Capital Markets). 

Unklar scheint recode.net zufolge zum jetzigen Zeitpunkt das künftige Handelsformat zu sein, vulgo: welche Produktschwerpunkte werden in den neuen Amazon Go-Märkten gesetzt? 

Convenienceprodukte à la „Pret A Manger“ oder klassische Handelswaren wie bei Tante Emma, Rewe oder Edeka & Co.? Klar scheint - je näher an Konzepten wie „Pret A Manger“, desto höher mutmasslicher Umsatz und Gewinn. 

Die Rollout-Kosten für die 3.000 neuen Amazon Go-Supermärkte werden von Morgan Stanley auf 3 Milliarden US-Dollar geschätzt. Selbst für Amazon mit einem aktuellen Börsenwert von 797 Milliarden US-Dollar - das teuerste börsennotierte Unternehmen - keine Kleinigkeit. 

Vergessen wir aber nicht - darauf weist Mirjam Hecking im Manager Magazin hin - dass die grossen chinesischen Konkurrenten Amazons ebenfalls schon sehr weit bei der Umsetzung ihrer Offline-Strategie sind:

„Schon 2017 stieg beispielsweise Alibaba für einen Milliardenbetrag bei der chinesischen Supermarktkette Sun Art sowie bei der Elektronikkette Suning ein. Anfang 2018 folgte dann ein weiteres Millioneninvestment in die Möbelkette Easyhome. Insgesamt 10 Milliarden Dollar hat Alibaba sich seine Offlineaktivitäten laut dem "Economist" bislang kosten lassen.

Alibabas Vorzeigeprojekt ist jedoch die Supermarktkette Hema. 2015 gegründet, existieren mittlerweile 46 Läden der Kette in 13 Städten. Weitere 2000 sind offenbar geplant. Neben dem Einkauf frischer Lebensmittel können Kunden sich dort die gekauften Produkte auch direkt zubereiten, innerhalb von 30 Minuten nach Hause liefern lassen und an der Kasse per Gesichtserkennung bezahlen.

Auch Konkurrent Tencent sowie der chinesische Alibaba-Konkurrent JD.com tummeln sich längst im stationären Handel. So unterhält Tecent, Betreiber des in China beliebten Chatdienstes Wechat, zusammen mit Rossmann-Großaktionär A.S. Watson und dem Supermarktkonzern Yonghu mehr als 70 Supermärkte in der chinesischen Provinz Guangdong. Zudem testen die Chinesen zusammen mit der französischen Supermarktkette Carrefour neue 'Smart-Retail'-Technologien wie etwa kassenlose Bezahlsysteme.

Und auch J.D.com hat die Verknüpfung von On- und Offlinehandel für sich entdeckt und zuletzt massiv in das Geschäft mit frischen Lebensmitteln investiert. Medienberichten zufolge will das Unternehmen in den nächsten fünf Jahren seine Supermarktkette 7Fresh um 1000 Läden erweitern.“ 

***

Seattle, 10.4.2017 - Vor ein paar Tagen berichtete das Wall Street Journal über technische Probleme im „Supermarkt der Zukunft“, einem Pilotprojekt von Amazon in Seattle.

Clou von Amazon Go soll das kassiererlose Einkaufen und Auschecken sein. Dabei überwachen Kameras und Sensoren, welche Waren die Kunden einkaufen und letztlich mitnehmen. Fast unnötig zu erwähnen, dass parallel hierzu eine ganze Menge an Big Data- und Deep Learning-Prozessen ablaufen. 

Insider berichten jedoch über ein aktuelles Problem - mehr als 20 Leute dürfen sich nicht gleichzeitig im Laden aufhalten oder sollten sich sehr langsam bewegen. Amazon verschiebt die ursprünglich zum zweiten Quartal geplante Eröffnung jetzt auf unbestimmte Zeit. Schon jetzt scheint klar zu sein: mit nurmehr drei Supermarktbeschäftigten (wie ursprünglich geplant) lässt sich die neue Technologie auch künftig wohl nicht betreiben.

***

Seattle, 11.12.2016 - Viele von Ihnen kennen die Selbstscan-Kassen in den IKEA-Möbelhäusern - häufig eine gute Idee, um sich die Warterei in den Kassenschlangen zu ersparen. Sie kramen also den Scancode von „Tröndby“, „Naxen“ oder „Tjurf“ irgendwie so hervor, dass Sie ihn mit dem 3D-Handscanner, der an einem viel zu kurzen aber umso störrischeren Kabel an der Zahlstation fixiert ist, abscannen können. 

Naja, so richtig flüssig geht das alles nicht, und ein kleines Bachelorstudium muss man auch schon absolviert haben, bevor der erste erfolgreiche IKEA-Self-Checkout mittels beschriebenem Scan und anschliessendem Zahlvorgang mit EC-Karte und Unterschrift funktioniert.

Wieviel einfacher wäre es doch, wenn Sie sich diesen ganzen aufwendigen Vorgang sparen und einfach mit den Waren, die Sie haben möchten, aus dem Laden spazieren könnten - keine Kasse, weder traditionell noch à la IKEA?

Amazon, unsere Freunde und Förderer der Künstlichen Intelligenz aus Seattle/Washington, haben sich das wohl auch gedacht und sogleich eine (fast) marktfähige Lösung vorgestellt: Amazon Go - der Supermarkt ohne Kassen.

Vier Jahre lang habe man in Seattle an Idee und Lösung des bargeldlosen Einkaufs per Smartphone, Amazon-Konto und spezieller -App „gebastelt“ - und jetzt die Beta-Version eines Amazon Go-Supermarkts eröffnet - vorerst nur für Amazon-Mitarbeiter - ab Frühjahr 2017 dann für alle Interessenten.

Und das Einkaufen ist wirklich verblüffend einfach: Amazon Go-App auf dem Smartphone öffnen (die muss vorab natürlich mit Ihren Amazon-Zugangsdaten „gefüttert“ werden), an der Eingangsschranke damit einchecken. Die App weiss nun, dass Sie mit Ihrem Einkauf beginnen. Nun kaufen Sie ein, wie Sie halt im Supermarkt einkaufen, legen Waren zurück, nehmen stattdessen neue usw. usw. Sie packen alles gleich in Ihre Einkaufstasche, Ihren Rucksack oder was immer Sie auch an Behältnissen dabei haben und gehen schliesslich einfach wieder aus dem Amazon Go-Supermarkt hinaus - fertig. Der Einkaufsbetrag wird Ihrem Amazon-Konto belastet.

Laut Branchendienst Business-Insider plant Amazon in den kommenden zehn Jahren allein in den USA, rund 2.000 dieser Supermärkte zu eröffnen, wobei noch unklar ist, ob alle vom Amazon Go-Typ sein werden. Kein Wunder, der Lebensmitteleinzelhandel in den USA gibt immerhin um die 800 Milliarden Dollar Umsatzpotential pro Jahr her (2015).

Der Einsatz geballter Künstlicher Intelligenz oder Artificial Intelligence (AI) machen die bargeldlose Shopping-Tour erst möglich. Hier setzt auch die Kritik von Datenschützern an: Jeder Griff zu einem Produkt im Regal wird von der Amazon Go-App registriert; der entsprechende Betrag erscheint sofort digital in der Anwendung - ebenfalls wird er beim Zurücklegen der Ware wieder entfernt - Amazon spricht von „virtual cart“, also einem virtuellen Einkaufswagen.

Kann das mit rechten Dingen zugehen?

Ja, sofern die komplette Vermessung der menschlichen Bewegungsabläufe während des Einkaufens als rechtens erachtet wird. Faszinierend und beängstigend zugleich.

Die Kollegen Bastian Brauns und Veronika Völlinger von ZEIT ONLINE am 6.12.2016 dazu:

„Amazon hält sich mit Details bedeckt und spricht eher nebulös von seiner Shopping-Technologie, von Computer Fusion , Deep Learning Algorithms und Sensor Fusion. Was die Schlagwörter bedeuten, erklärt der Konzern nicht. Für die Kunden bedeutet das: Sie werden nicht nur digital erfasst, sondern auch analog komplett vermessen. Details zur Technik, die Amazon in seinem Supermarkt zum Einsatz bringen könnte, lassen sich beim Technologiemagazin Recode finden. Vor etwa einem Jahr veröffentlichte Recode einen Patentantrag von Amazon, in dem das Unternehmen detailliert auflistet, welche Funktionen es patentieren lassen möchte. Inwieweit das allerdings im Amazon-Go-Supermarkt in Seattle bereits umgesetzt wird, ist unklar. 

Vereinfacht kann davon ausgegangen werden, dass ein Zusammenspiel unterschiedlicher Technologien nötig sein würde: Nimmt ein Kunde beispielsweise ein Sandwich aus dem Regal, könnten Kameras das Sandwich erkennen. Sie würden außerdem erkennen, welcher Kunde das Sandwich in der Hand hält und registrieren dann den Kunden und das Produkt und übermitteln die Daten an den individuellen Amazon-Account. Der Kunde könnte aber vielleicht die Verpackung mit seiner Hand verdecken, sodass die Kameras das Produkt nicht eindeutig registrieren können. Dann wüsste das System aber, dass der Kunde oft dieses Sandwich kauft, und es weiß, dass Sandwiches genau an dieser Stelle liegen, an der der Kunde sich eines gegriffen hat.“

Klar, dass Amazon viele Nutzerdaten erheben und mit leistungsfähigen Big Data-Analysetools und -algorithmen be- und verarbeiten muss, um das kassenlose Einkaufen zu ermöglichen. Basis dafür sind die jeweils bereits bekannten Shoppingdaten der einzelnen Kunden, ergänzt durch deren Offline-Einkaufsverhalten und die intelligente Verknüpfung und Aktualisierung dieser Daten. Bewegungsprofile erstellen - oder die Frage beantworten: wie gut bist Du heute drauf? All das dürfte möglich werden. 

ZEIT ONLINE zitiert den früheren Datenschutzbeauftragten Peter Schaar, der seine Besorgnis ob dieser potentiellen Bewegungsprofile äussert. Für Europa und Deutschland sieht er jedoch keine rechtliche Möglichkeit, solche Bewegungsprofile von Nutzern zu erstellen; Kunden müssten hierzu vorab einwilligen. 

Der Gigatrend Concenience wird durch Amazon Go aber alle mal befriedigt; auch in der realen Welt. Und näher auf die Pelle rückt Amazon seinen Kunden so allemal. Dazu nochmals ZEIT ONLINE:

„Was Kunden aber offenbar am meisten schätzen sind Service und Bequemlichkeit. Und Amazon befriedigt dieses Bedürfnis mit immer neuen Ideen. Das Konzept der Amazon Go Lebensmittelläden jedenfalls passt zur konsequenten Strategie des Unternehmens, immer näher an seine Kunden heranzurücken, auch in der analogen Welt. 

Längst werden Lieferungen nicht mehr nur mit der Post oder Paketdiensten gebracht. Mit seinen eigenen Lieferdiensten Amazon Prime oder Amazon Prime Now schickt das Unternehmen inzwischen eigene Kuriere direkt zu seinen Kunden und übergibt die Waren persönlich. Sogenannte Pick-up-Stores plant Amazon ebenfalls. Auch sie sollen bald eröffnen. Kunden können hier ihre bestellte Ware direkt selbst abholen, ebenfalls mit angekündigt nur geringer Wartezeit.“

Alles richtig gemacht, Amazon? Schaun’ wir mal, wie es bei uns in Deutschland damit weitergeht.

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