Mastodon Mastodon Amazon und die Rücksendungen - ein heikles Kapitel | Rückenwind für Ihr Geschäft | RetailConsult.de - Michael Borchardt, Frankfurt am Main

Amazon und die Rücksendungen - ein heikles Kapitel

Hamburg, 1.7.2016 - Kundenorientierung - ein wichtiges und heeres Ziel für Händler - offline wie online. So empfinden Kunden die Möglichkeit, Artikel, die nicht gefallen oder passen, an den Händler zurückgeben oder -senden zu können, als essentiellen Teil ihrer freien Kaufentscheidung. 

Aber gerade Internet-Giganten wie Amazon fallen immer wieder durch einen teilweise nicht gerade kundenfreundlichen Umgang beim Thema Warenrücksendungen auf. So berichten dieser Tage verschiedene deutsche Nachrichtenmagazine über das Thema, darunter „Stern“ und „Focus“. 

So sei es in der Vergangenheit häufig vorgekommen, dass Amazon Konten von Kunden sperrte, die nach Ansicht des Versenders zu viele Waren zurückschickten. 

Klar - Rücksendungen sind für Internethändler teuer, schmälern deren Marge und wirken sich negativ auf die Warenbevorratung aus. Aber wie häufig dürfen Waren eines Kunden zurückgehen, bevor dessen Konto gesperrt wird? 

Der aktuell diskutierte Fall wurde vom Portal teltarif.de Ende Juni aufgegriffen und publik gemacht. Wir zitieren im Wortlaut:

„ In dem uns (teltarif.de, MB) vorliegenden Fall hat sich ein Kunde bei teltarif.de gemeldet, der seit mehreren Jahren ein Konto bei Amazon besitzt und über den Händler regelmäßig einkauft. Laut seinen Angaben hat er im Jahre 2014 insgesamt 15 Artikel im Wert von rund 600 Euro bei Amazon bestellt, von denen nicht einer zurückgesendet wurde. 2015 waren es 19 Artikel, deren Gesamtsumme sich ebenfalls auf rund 600 Euro beläuft. Von diesen Produkten gingen vier Sendungen zurück. Im aktuellen Jahr 2016 hat der Kunde ebenfalls bereits 19 Artikel bestellt und davon vier retourniert. Unter anderem soll es sich um Kleidung gehandelt haben, die zum Anprobieren in verschiedenen Größen bestellt wurde. Der Warenwert der 2016er Bestellungen beläuft sich auf etwa 1100 Euro.

Das Einkaufs- und Retouren-Verhalten des Kunden scheint für den Laien recht normal zu sein. Viele Amazon-Nutzer werden sich im Bestellverhalten sicherlich wiederfinden. Skeptiker könnten hingegen argumentieren, dass eine Rücksendung von einem Fünftel der Bestellungen zu viel ist und Amazon berechtigt ist, den Kunden darauf anzusprechen.

Denn dies hat der Online-Händler getan. Im Februar erhielt unser Leser eine E-Mail von Amazon, in der er um Feedback zu seinen ‚häufigen Rücksendungen‘ gefragt wurde. Die E-Mail lautete wie folgt:


‚ Subject: Ihr Kundenkonto bei Amazon.de

Guten Tag,

wir freuen uns über Ihr Interesse an unserem Angebot. In den letzten Monaten haben Sie jedoch eine außergewöhnlich hohe Anzahl der bestellten Artikel wieder an uns zurückgesendet. Unserer Erfahrung nach kann eine hohe Anzahl an Rücksendungen darauf hindeuten, dass Kunden mit ihrem Einkaufserlebnis unzufrieden sind. Sollten wir dazu beitragen können, Ihr Einkaufserlebnis zu verbessern, können Sie uns direkt auf diese E-Mail antworten - wir freuen uns über Ihr Feedback.

Der Kunde hat die E-Mail beantwortet - mit Details zu jedem einzelnen zurückgesandten Artikel. Eine Antwort von Amazon gab es seiner Aussage nach, abgesehen von einer automatischen Eingangsbestätigung, allerdings nie.

Amazon will E-Mail nie erhalten haben

Bei Amazon scheint diese Antwort-Mail nie angekommen oder bearbeitet worden zu sein, zumindest sollte ihr "Fehlen" im weiteren Geschehen noch eine Rolle spielen. Denn der Kunde erhielt eine weitere E-Mail vom Online-Händler. Und das kurz nach der Bestellung eines Artikels, der sich auch Tage später noch immer ‚ im Versand ‘  befindet. In dieser E-Mail erhielt der Kunde die Auskunft, dass sein Kundenkonto gesperrt werde, wenn er weiterhin Artikel zurücksende.

Vor einiger Zeit haben wir Sie schon einmal zum Thema Rücksendung angeschrieben. Unsere Qualitätssicherung überprüft jeden einzelnen bestellten Artikel bevor er unser Logistikzentrum verlässt. Da Sie weiterhin eine außergewöhnlich hohe Anzahl Ihrer bestellten Artikel zurückschicken, sind Sie offenbar nicht mit unserem Angebot zufrieden. Leider haben Sie uns bisher nicht über die Gründe hierfür informiert. Bitte geben Sie uns durch Ihre Rückmeldung die Möglichkeit, Ihr Einkaufserlebnis zu verbessern.

Ein Hinweis: Bleibt Ihr derzeitiges Retourenverhalten so außergewöhnlich wie bisher, ohne dass Sie uns eine Begründung mitteilen, bitten wir Sie um Verständnis, dass wir uns das Recht vorbehalten, Ihr Amazon.de Konto zu schließen. Über eine Schließung würden Sie per E-Mail informiert. Derzeit sind Bestellungen über Ihr Konto noch möglich.


Aktuell kann unser Leser also noch Waren bei Amazon bestellen. Allerdings wurde die bereits vor E-Mail-Eingang getätigte Bestellung aus unbekannten Gründen bislang auch Tage nach der Bestellung noch immer nicht versandt. Seltsam mutet zudem an, dass Amazon nie eine Antwort auf die erste E-Mail-Anfrage erhalten haben will. „

Nicht, dass Amazon seine Kunden im Unklaren über die Folgen einer Kontoschliessung liesse: So teilte Amazon seinem Kunden mit, dass nicht nur sein Amazon.de-Konto betroffen sei, sondern auch jene mit den Länderendungen .co.uk, .com, .co.jp, .fr, .it, .es, .ca sowie .cn. Ebenfalls würden die Konten geschlossen, die bei Javari.de, Lovefilm und Audible.de geführt würden. Ebenfalls Betroffen sei der Amazon Marketplace. Dazu kämen Rezensionen, Wunschlisten usw. - lediglich Kindle-E-Books könnten nach wie vor heruntergeladen werden.

Es versteht sich fast von selbst, dass sich auch schon Oberlandesgerichte in Deutschland mit dem unerquicklichen Thema beschäftigen mussten. So entschied das OLG Köln, dass Amazon nicht befugt sei, (ehemaligen) Kunden den Zugriff auf bereits von diesen erworbene digitale Inhalte zu verbieten (Az: OLG Köln 6 U 90/15) - Kläger war hier die Verbraucherzentrale NRW, die gegen die betreffenden Klauseln in den Amazon-Nutzungsbedingungen klagte. 

Grundsätzlich gilt aber auch für Amazon: Kaufverträge sind zweiseitige Rechtsgeschäfte - und Amazon kann nicht gezwungen werden, gegen dessen erklärten Willen Geschäftsbeziehungen zu Kunden zu unterhalten.

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